Das Twitter-Team der FAZ versucht sich gerade in einer Erklärung, was Satire sein und leisten soll. Grund ist eine rassistische Karikatur mit einem Medizinmann, die die FAZ verwendet hat, um einen Artikel über Nachwuchsprobleme bei niedergelassenen Ärzten zu illustrieren.

Der Artikel befasst sich mit dem Problem niedergelassener Ärzte, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Dies würde nicht nur den Ärztemangel weiter verschärfen, sondern auch die Altersabsicherung der Ärzte gefährden. Für viele sei der Erlös aus dem Verkauf der Praxis nämlich als Teil der Altersvorsorge gedacht. Stellt sich also die Frage, wieso um alles in der Welt ein Bild mit einem Medizinmann verwendet wird.

Die Karikatur, so das Online-Team, spieße auf, was so mancher Deutscher heimlich denke. Die rassistischen Stereotype würden vergrößert, bis sie lächerlich erscheinen. Was bei der FAZ offenbar nicht angekommen ist: Eine Karikatur macht das, um der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und sie so zum Nachdenken anzuregen. Mit der konkreten Karikatur kann das aber gar nicht funktionieren, weil es im Text gar nicht um rassistische Einstellungen gegenüber nichtweißen Ärzten oder dergleichen geht.

Was sehen wir im Bild? Gezeigt werden drei Personen. Zwei (ein Sanitäter und ein offenbar kranker, älterer Mann) sind weiß, eine ist schwarz. Die schwarze Person trägt einen Lendenschurz sowie eine Maske und tanzt um ein Feuer. Abgebildet werden außerdem ein paar Knochen und ein Schädel, die jeweils der schwarzen Person zuzuordnen sind. Die kranke, ältere Person sagt: „Ach, Herr Doktor, ich bin so froh, dass die Praxis endlich wieder besetzt ist.“ Auf einem Schild steht in gebrochenem Deutsch: „Praxis Dr. Mbongo. Viele Heilung. Alle Kasse.“ Flankiert wird das Bild von einer Bildunterschrift: „Deutschland profitiert von eingewanderten Fachkräften.“ Die Karikatur kommentiert also ironisch den Einsatz ausländischer Fachkräfte zur Bekämpfung eines Ärztemangels.

Dies tut sie aber, indem sie erstens wie selbstverständlich nichtweiße Menschen als Ausländer markiert und zweitens — dies ist viel schlimmer — die Qualifikationen ausländischer Ärzte herabwürdigt. Die Karikatur bildet nicht nur einen Medizinmann ab, dessen Heilkünste nach unseren westlichen Vorstellungen als Hokuspokus und damit im Vergleich zur Schulmedizin als qualitativ minderwertig, wenn nicht gar nutzlos gelten. Verstärkt wird der Eindruck mangelnder Qualität durch das Praxisschild in gebrochenem Deutsch.

Ohne Frage: Die Karikatur ist kritisch (was sie nicht weniger rassistisch macht), aber mit dem Artikel selbst hat sie herzlich wenig zu tun. Themen sind Nachwuchssorgen, Rentenrisiko und Arbeitsbelastung. Ein Ärztemangel wird nur am Rande konstatiert. Die Zeichnung passt somit hinten und vorne nicht. Vielleicht suchte jemand in der Redaktion einfach nur nach einem Bild, dass irgendwas mit „Ärztemangel“ und „Praxis“ zu tun hat, und machte sich sonst keine weiteren Gedanken. Andererseits: Nicht zum ersten Mal hat die FAZ dieses Bild verwendet, um befürchtete Qualitätseinbußen in der Medizin zu illustrieren. Ein Artikel über Abiturienten, denen der Einstieg ins Medizinstudium wegen zu schlechter Noten verwehrt wird, wurde ebenfalls mit der Karikatur bebildert.

Als Ergebnis kann also nur stehen, dass diese Zeichnung Rassismus reproduziert, aber nicht kritisiert. Dabei ist es mitnichten so, dass die FAZ zwingend auf rassistische Bilder zurückgreifen würde, um sich mit dem Thema Ärztemangel zu beschäftigen, wie ein Artikel über Nachwuchssorgen in der Chirurgie nahelegt. Sicher werden einige einwenden: „Aber das passt doch gar nicht zur Situation niedergelassener Ärzte!1!“ Das mag stimmen. Eine rassistische Karikatur mit einem Medizinmann passt aber noch viel weniger.

Nachtrag, 13 Uhr: Die FAZ hat sich über Twitter entschuldigt. Zumindest hat sie etwas getan, was mit viel Wohlwollen so aufgefasst werden könnte: „Natürlich war auch die von einigen als rassistisch empfundene Greser&Lenz-Karikatur heute Morgen Thema bei uns. Dass sie so missverständlich aufgefasst wurde, tut uns leid! Unter diesem Gesichtspunkt hatten wir sie nicht betrachtet.“

Die Entschuldigung ist gar keine richtige, weil sie an gleich zwei Stellen empfindlich abgeschwächt wird: Zum einen wird negiert, dass die Karikatur rassistisch ist. Zum anderen wird unterstellt, dass die Kritiker sie nur falsch verstanden hätten. Eine richtige Entschuldigung hätte z.B. so lauten können: „Wir entschuldigen uns für die rassistische Karikatur und werden sie nicht wieder verwenden.“ Passt sogar in nur einen Tweet.

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Screenshot: FAZ

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