So, ich wohne jetzt nun schon vier Monate in Mannheim, sekundiere weiter diejenigen, die „Mannem“ sagen, und ich könnte mich immer noch leidenschaftlich über den Witz auf Schienen (vulgo: Öffentlicher Personennahverkehr) aufregen. War da noch was? Ach ja, Rassismus.

Von Ossis werde ich ja öfter gefragt (bzw. einige fordern bohrend Beispiele, notfalls suchen sie sie selbst), ob ich denn nicht auch Rassismus im Westen erleben würde. Rassismus sei ja schließlich kein exklusiv ostdeutsches Problem, ne? Also: Hab ich schon mal Rassismus in Mannheim erlebt? Öhm, ja!? Aber das ist in der Regel so Pillepalle, dass ich jedes Mal gefühlte fünf Minuten überlegen muss, was vorgefallen ist. Ich führe jetzt einfach mal eine Liste, damit das zukünftig schneller geht und ich gleich auf etwas zurückkreifen kann, falls ich mal wieder zu einem Vortrag oder einer Diskussion eingeladen bin und jemand diese Frage stellt. Legen wir mal los:

  1. Nachbarin rennt vor mir weg. Es war dunkel.
  2. Studentin rennt vor mir weg. Es war hell.
  3. In Frankfurt behandelt eine Museumsaufsicht mich und Freunde aus Leipzig wie Dreck.
  4. Studentin did it the East German style.
  5. Am Samstag: Ich werde nicht ordentlich bedient.
  6. Heute morgen: Studentin verfolgt genau, wo ich entlanglaufe.

Zuerst einmal: In Leipzig mache ich euch diese Vorfälle in ’ner halben Stunde klar. Das hier sind die Vorfälle, die ich im Laufe von vier Monaten erlebt habe. Im ersten Fall habe ich uns eher im Verhältnis Mann – Frau gesehen, weshalb mich das nur kurz geärgert hat. Immerhin war es dunkel.

Der Studentin habe ich gewünscht, dass sie beim Davonrennen stolpert und sich auf die Fresse legt. Leider habe ich an dem Tag keinen Krankenwagen gesehen. Vielleicht passiert’s ihr ja noch. Dass ich am Samstag im Gegensatz zur nachfolgenden weißen Kundschaft überhaupt nicht vernünftig bedient worden bin, hat mich tatsächlich nur sehr kurz geärgert. Als ich danach an der Haltestelle ankam und auf den Witz auf Schienen wartete, dachte ich so bei mir: Wow, die Stadt tut mir echt so gut, dass mich so was nicht aus der Bahn wirft.

Beschwert habe ich mich trotzdem. EINFACH WEIL ICH ES KANN!

Wirklich geärgert habe ich mich über die Trulla, der ich unterstelle, ebenfalls aus Ostdeutschland, vielleicht sogar Leipzig, zu kommen. Ich glaube das, weil sie exakt die selbe „Igitt, Igitt, ’n Schwarzer!“-Choreographie drauf hatte, die ich so nur aus Leipzig kenne und die man lange einstudieren muss: Dieser spezielle Griff zur Handtasche, gepaart mit einem Schlafzimmerblick-Starren nach unten bis exakt zu der Millisekunde, in der ich sie passiere. Trotz Kerl an ihrer Seite. Ich habe mich aber weniger über sie als mich geärgert. Ich wollte sie nämlich eigentlich fragen: „Sach ma, gommsd du nisch ooch aus Saggsn?“ Ich ärgere mich, weil ich die Chance verpasst habe, ihr so richtig eins reinzuwürgen. Wenn sie dann nämlich gefragt hätte: „Boah, woher weißt’n du das?“, hätte ich so was geantwortet wie: „Siehste mal, ich erkenne die Herkunft von Rassistinnen nur an ihrem Verhalten.“ Hätte sie die Frage verneint, wäre noch etwas viel Fieseres gekommen. Aber die Gelegenheit ergibt sich sicher mal wieder.

Weil das alles so selten vorkommt, habe ich auf einmal unfassbar viel Energie. So viel Energie, dass ich mit dem Sport übertrieben habe, weshalb ich gerade auf Krafttraining und neuerdings Football (Ja ja, ganz recht!) verzichten muss. Zurzeit versuche ich mich in Mannheim zu vernetzen, weil ich mich hier engagieren will. Am Donnerstag war ich, glaube ich, zum allerersten Mal in meinem Leben bei einer Wahlkampfveranstaltung … und bin fast eingeschlafen. In Leipzig fehlte mir selbst für die einfachsten Dingen die Energie. An ein Engagement hätte ich nicht mal im Traum denken können.

Was neben der Seltenheit der Vorkommnisse für mich von noch größerer Bedeutung ist, sind die vielen positiven Vorkommnisse, die drumherum geschehen und die ich immer noch nicht als selbstverständlich erfassen kann. Am Freitag war da zum Beispiel ein kleines, mir vollkommen unbekanntes weißes Kind, dass mich für sich vereinnahmt hat. Die Mutter, die an der Kasse stand, hat überhaupt nicht interveniert. Mehr dazu im nächsten Blogeintrag. <3

Bild: Romtomtom, CC-BY

(Kurzlink)