Seit Paris hald isch jetzt au immer mei Handdasch fest, wenn isch einen seh, der wie ei Syrer aussieht.

— Neulich beim Bäcker

Fast wäre ich geneigt gewesen zu fragen, was genau es bringen soll, die Handtasche festzuhalten, wenn sich ein Syrer™ neben einem in die Luft sprengt. Aber was hätte das schon gebracht?

Das Beispiel von oben ist zwar schon rund zwei Wochen alt. Allerdings kommt zurzeit echt viel zusammen, was solche Fälle häufiger auftreten lässt. Die medial weithin beachteten Attentate in Paris, die lange und breite Berichterstattung über Asyl und Geflüchtete, die Hetze von Politikern vornehmlich aus dem Lager von CDU/CSU und ArschfD, der Unwillen des Staates, strukturiert und effizient auf die Asylsituation zu reagieren, seit einem Jahr Pegida-Hetze, täglich Angriffe auf (geplante) Asylunterkünfte und das fatale Signal von Politik, Polizei und Justiz, dass das alles so schon in Ordnung geht. Die Gewalt kommt schließlich aus der Mitte.

Zu allem Überfluss ist gerade auch noch Weihnachtsmarkt, eine Veranstaltung, die ich traditionell hasse, weil sie traditionell mit alkoholbedingten Aggressionen und Rassismen einhergeht. Und mit Warnungen vor Taschendieben, die aus weißnormierter Sicht, na klar, immer die Nichtweißen sind. In diesem Klima hatte ich neulich Besuch von meinem Bruder. Es war praktisch unmöglich, durch irgendeine Menschenmenge zu gehen, in der Arschlöcher nicht andauernd zu ihren Wertsachen griffen. Am schärfsten war ja die Kuh, die hektisch die Taschen ihres (mutmaßlichen) Freundes zuhielt, als sie mich und meinen Bruder erblickte. Als wir am Abend aus dem Kino kamen, brüllte uns noch ein Typ „Hey Afrika“ entgegen.

Zum Glück ist mein Bruder dafür überhaupt nicht sensibilisiert. Er hat sich dagegen total gefreut, dass wir in einem Restaurant an einem Tisch mit einem anderen schwarzen Deutschen saßen: „Boah, das habe ich auch noch nicht erlebt: Da ist einer, der schwarz ist und wie wir spricht.“

Und dann sowieso jeden Tag mehr Leute, die zunehmend nervös werden, wenn sie einen Schwarzen sehen. Heute am Hauptbahnhof Mannheim: Am Bahnsteig ist es knackevoll. Ich, bepackt mit zwei großen Rucksäcken, laufe den Bahnsteig entlang bemerke eine Frau, die mich anstarrt und sofort hektisch nach ihrer Handtasche greift und sie fest umklammert. Sie hat mich auch die ganze Zeit beobachtet, bis der Zug hielt. Ich hätte ihr gern mal einen vernünftigen Grund gegeben, sich zu fürchten, allerdings hatte ich einen Kaffee in der einen und was zu Essen in der anderen Hand. Wie ich da jemand berauben soll, lassen wir jetzt mal dahin gestellt. Weißbrote. Bei so erbärmlichen Gestalten gehen tolle Erlebnisse total unter.1 Denn zurzeit ist auch bei mir die Luft raus.

Nur nicht aufregen. Es ist allerhöchste Eisenbahn, mich mal wieder aus der deutschen Arschlochgesellschaft auszuklinken. Es geht mit meinem Bruder nach: Südafrika. Demnächst werde ich ein bisschen darüber erzählen, wie er sich in Afrika™ so macht. Denn für ihn ist es das erste Mal außerhalb der weißen Mehrheitsgesellschaft. Wer weiß: Vielleicht wird er am Ende des Urlaubs schon so weit sein, „SÜDafrika“ anstelle von „Afrika™“ zu sagen.

Ich werde hier, auf meiner Facebook-Page und natürlich auch auf Twitter berichten. Bei letzterem tagaktuell. Wer das Drama verfolgen (oder muten) will, kann das unter dem Hashtag #EishMyBru tun, unter dem ich bereits einige brüderliche Stilblüten veröffentlicht habe.

I keep you updated.

Show 1 footnote

  1. Bevor ich am Hauptbahnhof ankam, saß in der Straßenbahn neben mir ein kleines Mädchen. Der Vater hat keinen Stress gemacht, weil es neben mir saß und sich immer bei mir abgestützt hat. Im Gegenteil.

Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC

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