So richtig kann man eigentlich nicht nachvollziehen, was da gerade bei den öffentlich-rechtlichen Sendern los ist. Vor gerade einmal zwei Wochen entschied sich der Radiosender MDR Sachsen gegen die Ausstrahlung einer Diskussionssendung zum Thema Politische Korrektheit. Vorausgegangen war ein verdienter Shitstorm, nachdem der MDR die Sendung auf Twitter mit dem ausgeschriebenen N-Wort bewarb. Zwei Gäste der geplanten Sendung, eine Landtagsabgeordnete der Linken sowie ein Mitarbeiter der Universität Leipzig, sagten aufgrund des Tweets ab. MDR Sachsen teilte letztlich mit, man habe die Sendung nun wegen mangelnder Ausgewogenheit aus dem Programm nehmen müssen. Übrig blieben nämlich nur noch Moderator und Angsthase Peter Hahne sowie Frauke Petry. Selbst für sächsische Verhältnisse war das wohl zu rechts.

Allerdings: Auf Twitter drohte der Sender damit, einen neuen Termin zu prüfen. Bisher kam der zwar nicht zustande. Jedoch sprang Mittwoch Abend die ARD mit der Maischberger-Talkshow in die Bresche. Thema der Sendung: „‚Man wird ja wohl noch sagen dürfen!‘ Wie diskriminierend ist Sprache?“ Nun hätte die Reaktion während der Vorbereitung der Sendung die Vorgänge bei den sächsischen Kollegen genau analysieren und aus deren Fehlern lernen können. Argumente, warum man vielleicht nicht unbedingt mit dem ausgeschriebenen N-Wort werben sollte, gab es viele. Ideen für Gäste auch. Genutzt hat das alles offenbar nichts. Das Thema nahm man gerne mit. Den Rest nicht. Entsprechend furchtbar war das Ergebnis.

Kürzlich wurde bei Übermedien über die unheimliche Anziehungskraft des N-Wortes gesprochen, und auch für die Talkshow Maischberger gilt: Ohne das N-Wort geht es nicht. Am besten ganz oft und ganz laut. Immer mit dabei dieses diffuse Gefühl: Man dürfe in diesem Land ja nichts mehr. Und das eine ganze Sendung lang. Besonders wehklagend ging „ZDF-Mann“ Peter Hahne in seiner Rolle auf, der vor allem Angst zu haben scheint, was nicht alt und tattrig, weiß und kreidebleich und ein ganzer Kerl ist.

Maischberger machte als Moderatorin keine gute Figur. Viel zu selten hakte sie in die insbesondere von Peter Hahne sehr respektlos geführte Diskussion ein. Einer der wenigen Versuche: Maischberger fragte Hahne, wo denn jetzt das Problem sei, sprachlich auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen. Hahnes Antwort: „Inzwischen haben Sie eine Gesellschaft, in der jeder Opfer ist.“ Bitte was? Wo verstecken die sich? Zwar sprach man kurz darüber, dass sich etwa AfD-Politiker eher als Opfer gerierten, aber niemand der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollte in den Sinn kommen, dass man die AfD vielleicht mal argumentativ entwaffnen sollte. Lieber sollte es weiter um die mit viel Empörung vorgetragene Forderung gehen: „Man wird ja wohl noch sagen dürfen!“

Gesagt wurde viel. Nur richtig gesprochen hat niemand miteinander. Obwohl – wie übrigens bei MDR Sachsen kurz zuvor – die Vorschau ankündigte, dass es um mehr gehen sollte als nur das N-Wort, drehte sich die Diskussion in den ersten 25 Minuten der Sendung hauptsächlich eben genau darum: Warum es eben doch wichtig sei, dieses Wort zu verwenden, warum Peter Hahne kein Rassist sei, wenn er das N-Wort ausspricht, ein AfD-Politiker aber schon. Insbesondere hier zeigte sich wieder sehr deutlich: Rassisten sind immer die anderen; vorzugweise die am rechten Rand der Gesellschaft. So funktioniert unsere Gesellschaft aber nicht. Auch Hahne ist Rassist, wenn er trotz des Wissens um den beleidigenden Charakter des N-Wortes darauf beharrt, das Wort weiter zu verwenden. In seiner privilegierten Position wird er vermutlich nie in die Verlegenheit gekommen sein zu hinterfragen, warum es ihm überhaupt wehtut, wenn er bestimmte Wörter, die früher angeblich nicht beleidigend gewesen sein sollen, jetzt nicht mehr nutzen sollte.

Er tut das, weil er in dem Glauben aufgewachsen ist, dass er sich als weißer Mann alles erlauben könne. Etwa der zugeschalteten Marlies Krämer höchst belehrend ins Wort zu fallen. Krämer hatte um die Nennung von Kundinnen in Sparkassenformularen gekämpft, letztlich aber verloren. Selbst als Hahne die individuelle Leistung Krämers hervorheben wollte, konnte der alte, weiße Mann das nur in einem herablassenden Ton und mit erhobenen Zeigefinger. Hier schritt Maischberger ebenso wenig ein, wie bei den vielen falschen bzw. ungenauen Informationen, die in der Sendung gestreut wurden. So brachte man als Beispiel für ein generisches Femininum „die Rapperin Bushido“. Das Beispiel ist zwar nicht falsch, aber wer glaubt denn bitte, dass sich der vor toxischer Maskulinität nur so triefende Bushido da gemeint fühlen würde? Entsprechend zickig reagierte er wie übrigens auch Hahne auf das Beispiel. Die Herren der Schöpfung konnten sich hier bequem rausreden, dass sie bei solchen Konstruktionen ja direkt angesprochen würden und es daher keinen Sinn machen würde. Leider haben sie da recht. Um dieses „mitgemeint sein“ besser zu verdeutlichen, hätte man so was sagen müssen wie: „Bushido ist einer der bekanntesten Rapperinnen Deutschlands. Auf dieser Grundlage hätte man den Herrn eher damit konfrontieren können, dass er sich wohl doch nicht so mitgemeint fühlt, wie er und andere es von Frauen erwarten.

Generell hätte bei der Sendung auf eine ausgewogenere Zusammensetzung der Gäste geachtet werden müssen. Immerhin verzichtete die Maischberger-Redaktion anders als der MDR Sachsen darauf, ein Mitglied einer rassistischen und rechtsextremen Partei einzuladen. Aber auch gut möglich, dass niemand von der AfD Zeit hatte. Zwar stimmte das Geschlechterverhältnis (die Moderatorin nicht mitgezählt), aber hier darf man sich auch mal trauen, mehr Frauen als Männer einzuladen. Immerhin belehrt Peter Hahne so viel, dass man glatt die dreifache Anzahl an weiblichen Gästen einladen könnte. Richtig verbockt hat es die Redaktion aber wieder einmal bei der Auswahl nichtweißer Gäste. Ja, anders als der MDR Sachsen lud Maischberger dieses Mal wenigstens die Schwarze Schauspielerin Annabelle Mandeng ein, aber hier zeigt sich auch gleichzeitig das größte Problem: Es wurde wieder eine Person ausgewählt, die sehr von der Gunst eines vornehmlich weißen Publikums abhängt. Als solche muss sie genau aufpassen, wie sie sich äußert. Das war schon das Problem, als Peter Hahne (Wer sonst?) im Jahr 2013 Jan Fleischauer mit Mola Adebisi über das Umschreiben von Kinderbüchern (Worüber sonst?) diskutieren ließ. Auch Adebisi hatte im Leben nicht die Chance, sich offen zu äußern, während Fleischhauer vom Leder ziehen konnte. Was hätten Adebisi damals und Mandeng am Mittwoch tun können? Nicht viel, außer seichte Kritik zu üben und hier und da zuzustimmen, wie recht die Weißen doch hätten. Würde man die Veranstaltung mit einigermaßen ebenbürtigen Kontrahenten besetzen wollen, ginge kein Weg an Schwarzen Aktivisten wie etwa denen von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland vorbei. Die arbeiten bereits seit Jahrzehnten zu diesen Themen. Sie können aus erster Hand berichten, was es bedeutet, mit dem N-Wort konfrontiert zu werden. Und selbst wenn die keine Zeit oder Lust hätten – bei Peter Hahne als Gast hätte man wohl vollstes Verständnis –, dann könnten die genug anderen Personen benennen. Wenn sich Hahne traut, kann er gern mit der großartigen Noah Sow diskutieren. Gebt dem Mann dann aber bitte ein Suspensorium.

Vielleicht hätte es auch schon geholfen, einander zuzuhören. Immer mal wieder blitzte der Vorwurf auf, man müsse sich in Sachen Gleichberechtigung um Wichtigeres kümmern als die Nennung von Frauen auf Formularen. Immer wieder wies Krämer darauf hin, dass eben auch das wichtig sei, weil der Kampf um Gleichberechtigung nun mal nicht funktionieren könne, wenn eben die Zielgruppe sprachlich nicht auftaucht: „Sprache ist Ausdruck von Denken, Fühlen, Reden, Tun und Handeln. Sie ist unser wichtigstes Integrationsmittel und unser höchstes Kulturgut. Also müssen die Frauen in dieser Sprache vorkommen.“ Sie nennt anschließend das Beispiel der Politiker, die auch dann Politiker genannt werden, wenn „99 Sozialdemokratinnen und ein CDU-Mann“ gemeint sind. Anhand solcher Beispiele könnte man tatsächlich vortrefflich streiten. Stattdessen wurden aber wieder durch Diskussionen in klassischen und sozialen Medien extrem verzerrte Beispiele aus der Mottenkiste geholt, Kinderbücher durften genauso wenig fehlen wie die Professoren der Universität Leipzig, die sich – natürlich wieder laut Hahne – inzwischen Professorin nennen würden. Tun sie nicht. Lediglich in der Grundordnung wird das generische Femininum verwendet. Man muss Marlies Krämer fast schon dankbar sein, dass sie das später korrekt darstellt.

Maischberger bedankte sich am Ende für eine „extrem differenzierte Debatte“, wobei sich die Frage geradezu aufdrängt, wo die Frau in den vergangenen 75 Minuten war. Dass die Debatte zu nichts führen würde, lässt sich bei einem Tweet vonTalkshow-Gast Teresa Bücker erahnen:

Es wäre schön, wenn Hahne endlich in Rente gehen und Tauben im Park füttern würde. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Screenshot: ARD

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