{"id":10592,"date":"2014-06-28T11:26:23","date_gmt":"2014-06-28T09:26:23","guid":{"rendered":"http:\/\/trollbar.de\/?p=10592"},"modified":"2019-11-13T17:33:37","modified_gmt":"2019-11-13T16:33:37","slug":"stamm-sparkasse-rassismus","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/trollbar.de\/2014\/stamm-sparkasse-rassismus-10592","title":{"rendered":"Neulich am Stammtisch der Sparkasse"},"content":{"rendered":"
Als ich mich Anfang des Jahres einer Magenspiegelung unterzog, hielt ich dies f\u00fcr die l\u00e4ngsten zehn Minuten meines Lebens. Dann bekam ich eine Wurzelbehandlung bei der Sparkasse.<\/p>\n
Meine LVA wollte bei der Sparkasse eine Angelegenheit von eher banaler Natur erledigen. Allein: Selbst Pupsen geht bei dem Institut nur mit Termin. „Nun denn“, dachte ich so bei mir, „gehste als Bankmensch mit und k\u00fcrzt die Chose mal ab“. Schei\u00dfe war’s. Die eigentliche Beraterin war krank und es \u00fcbernahm ihre freundliche Kollegin, Frau Geschw\u00e4tzig. Was folgte, war ein Kundendialog des Grauens, den ich — auf das Wesentliche gek\u00fcrzt — wiedergebe. Gesagt sei vielleicht noch, dass wir von dem Gespr\u00e4ch so \u00fcberrollt wurden, dass wir uns nicht mehr an alles erinnern k\u00f6nnen, was da so reproduziert wurde.<\/p>\n
\nWir: „Guten Tag, wir haben einen Termin und w\u00fcrden gern [banale Bankangelegenheit] erledigen.“
\nSie: „Sagen Sie, was sind denn Ihre Stammeswurzeln?“
\nIch: „Sagen Sie bitte nicht ‚Stamm‘!“
\nSie: „Ach, ist das bei Ihnen nicht so? Ich frag mich, wo Sie denn herkommen. Weil sie doch so gut Deutsch k\u00f6nnen.“
\nIch: „Ich bin geb\u00fcrtiger Leipziger.“
\nSie: „Sie k\u00f6nnen wirklich sehr gut Deutsch.“
\nIch: „Ich komme ja aus Leipzig.“\n<\/p><\/blockquote>\nAn dieser Stelle hatte ich \u00fcberlegt, einen Witz \u00fcber Sachsen einzuf\u00fcgen, etwa im Stile von: „Ja, da w\u00e4re ich aber auch erstaunt, einen Sachsen fl\u00fcssig parlieren zu h\u00f6ren. Bei uns muss man schon vom Gl\u00fcck gek\u00fcsst sein, um so gut Deutsch wie ich sprechen zu k\u00f6nnen.“ Ich lie\u00df es, weil dies schon bei fr\u00fcherer Gelegenheit nicht funktionierte.1<\/a><\/sup><\/p>\n
\nSie: „Aber Ihre Eltern, woher kommen die denn?
\nIch: „Mein Vater kommt aus dem Tschad. Kennen die meisten eh nicht.“\n<\/p><\/blockquote>\nWenn diese Frage kommt, erz\u00e4hle ich manchmal vom wei\u00dfen Teil meines Stammbaumes, wohlwissend, dass dies den Gespr\u00e4chspartner nicht zufriedenstellen wird, weil er ja immer noch nicht wei\u00df, warum ich schwarz bin.2<\/a><\/sup><\/p>\n
Irgendwann kam das Gespr\u00e4ch auf unsere Professionen (ich Uni, meine LVA Entwicklungszusammenarbeit). Nachdem sich herausstellte, dass Frau Geschw\u00e4tzig nicht wusste, was EZ ist, gab ich3<\/a><\/sup> eine kurze, kritische Zusammenfassung, um nur irgendwie eine Denkleistung zu provozieren. Ohne Erfolg.<\/p>\n
\nSie: „Also denen da unten muss man schon l\u00e4ngerfristig helfen. So kurzfristig geht’s nicht. Da kann man nicht nur Geld schicken.“
\nIch: „Hmmhmm …“
\nLVA: *kopfsch\u00fcttel*
\nSie: „Aber Afrika ist schon ein sch\u00f6nes Land. Da wollte ich schon immer mal hin. Allein die Tierwelt!\n<\/p><\/blockquote>\nWie um alles in der Welt gibst du jetzt — ohne \u00fcber den Tisch zu springen — zu verstehen, dass Afrika kein Land, sondern ein Kontinent ist, und \u00fcbst dabei gleich noch ein bisschen Kritik in Richtung Beraterin? <\/p>\n
\nIch: „Also ich empfehle f\u00fcr den Einstieg ja S\u00dcDafrika.“
\nLVA [mit anderen Favoriten]: „WIESO DAS DENN?“ *emp\u00f6r*
\nIch: „Na, S\u00fcdafrika ist stark europ\u00e4isch.4<\/a><\/sup> Das erschreckt Unerfahrene nicht so. Danach k\u00f6nnen Sie ja gern nach UGANDA und [ANDERES BELIEBIGES LAND] gehen.“
\nSie: „Doch, Afrika ist ein sch\u00f6nes Land.“\n<\/p><\/blockquote>\nAls wir es tats\u00e4chlich geschafft hatten, weiter unsere [banale Bankangelegenheit] zu bearbeiten, wollte Frau Geschw\u00e4tzig noch ein Kennwort von uns haben.<\/p>\n
\nSie: „Wir brauchen noch ein Kennwort.“
\nWir: *\u00fcberleg*
\nSie: „Muss aber was sein, das ich schreiben kann. Keine Hieroglyphen oder so was, ja?“ *haha*\n<\/p><\/blockquote>\nSo.<\/p>\n
Es folgt:<\/p>\n
Eskapismus.<\/p>\n