{"id":14900,"date":"2018-05-04T16:58:37","date_gmt":"2018-05-04T14:58:37","guid":{"rendered":"https:\/\/trollbar.de\/?p=14900"},"modified":"2024-06-14T17:10:46","modified_gmt":"2024-06-14T15:10:46","slug":"maischberger-man-wird-ja-wohl-noch-beleidigen-duerfen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/trollbar.de\/2018\/maischberger-man-wird-ja-wohl-noch-beleidigen-duerfen-14900","title":{"rendered":"Maischberger: Man wird ja wohl noch beleidigen d\u00fcrfen!"},"content":{"rendered":"
So richtig kann man eigentlich nicht nachvollziehen, was da gerade bei den \u00f6ffentlich-rechtlichen Sendern los ist. Vor gerade einmal zwei Wochen entschied sich der Radiosender MDR Sachsen gegen die Ausstrahlung einer Diskussionssendung zum Thema Politische Korrektheit. Vorausgegangen war ein verdienter Shitstorm, nachdem der MDR die Sendung auf Twitter mit dem ausgeschriebenen N-Wort bewarb. Zwei G\u00e4ste der geplanten Sendung, eine Landtagsabgeordnete der Linken sowie ein Mitarbeiter der Universit\u00e4t Leipzig, sagten aufgrund des Tweets ab. MDR Sachsen teilte letztlich mit, man habe die Sendung nun wegen mangelnder Ausgewogenheit aus dem Programm nehmen m\u00fcssen. \u00dcbrig blieben n\u00e4mlich nur noch Moderator und Angsthase Peter Hahne sowie Frauke Petry. Selbst f\u00fcr s\u00e4chsische Verh\u00e4ltnisse war das wohl zu rechts.<\/p>\n
Allerdings: Auf Twitter drohte der Sender damit, einen neuen Termin zu pr\u00fcfen. Bisher kam der zwar nicht zustande. Jedoch sprang Mittwoch Abend die ARD mit der Maischberger-Talkshow in die Bresche. Thema der Sendung: \u201e\u201aMan wird ja wohl noch sagen d\u00fcrfen!\u2018 Wie diskriminierend ist Sprache?\u201c Nun h\u00e4tte die Reaktion w\u00e4hrend der Vorbereitung der Sendung die Vorg\u00e4nge bei den s\u00e4chsischen Kollegen genau analysieren und aus deren Fehlern lernen k\u00f6nnen. Argumente, warum man vielleicht nicht unbedingt mit dem ausgeschriebenen N-Wort werben sollte, gab es viele. Ideen f\u00fcr G\u00e4ste auch. Genutzt hat das alles offenbar nichts. Das Thema nahm man gerne mit. Den Rest nicht. Entsprechend furchtbar war das Ergebnis.<\/p>\n
K\u00fcrzlich wurde bei \u00dcbermedien \u00fcber die unheimliche Anziehungskraft des N-Wortes<\/a> gesprochen, und auch f\u00fcr die Talkshow Maischberger gilt: Ohne das N-Wort geht es nicht. Am besten ganz oft und ganz laut. Immer mit dabei dieses diffuse Gef\u00fchl: Man d\u00fcrfe in diesem Land ja nichts mehr. Und das eine ganze Sendung lang. Besonders wehklagend ging \u201eZDF-Mann\u201c Peter Hahne in seiner Rolle auf, der vor allem Angst zu haben scheint, was nicht alt und tattrig, wei\u00df und kreidebleich und ein ganzer Kerl ist.<\/p>\n Maischberger machte als Moderatorin keine gute Figur. Viel zu selten hakte sie in die insbesondere von Peter Hahne sehr respektlos gef\u00fchrte Diskussion ein. Einer der wenigen Versuche: Maischberger fragte Hahne, wo denn jetzt das Problem sei, sprachlich auf andere Menschen R\u00fccksicht zu nehmen. Hahnes Antwort: \u201eInzwischen haben Sie eine Gesellschaft, in der jeder Opfer ist.\u201c Bitte was? Wo verstecken die sich? Zwar sprach man kurz dar\u00fcber, dass sich etwa AfD-Politiker eher als Opfer gerierten, aber niemand der Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollte in den Sinn kommen, dass man die AfD vielleicht mal argumentativ entwaffnen sollte. Lieber sollte es weiter um die mit viel Emp\u00f6rung vorgetragene Forderung gehen: \u201eMan wird ja wohl noch sagen d\u00fcrfen!\u201c<\/p>\n Gesagt wurde viel. Nur richtig gesprochen hat niemand miteinander. Obwohl \u2013 wie \u00fcbrigens bei MDR Sachsen kurz zuvor \u2013 die Vorschau ank\u00fcndigte, dass es um mehr gehen sollte als nur das N-Wort, drehte sich die Diskussion in den ersten 25 Minuten der Sendung haupts\u00e4chlich eben genau darum: Warum es eben doch wichtig sei, dieses Wort zu verwenden, warum Peter Hahne kein Rassist sei, wenn er das N-Wort ausspricht, ein AfD-Politiker aber schon. Insbesondere hier zeigte sich wieder sehr deutlich: Rassisten sind immer die anderen; vorzugweise die am rechten Rand der Gesellschaft. So funktioniert unsere Gesellschaft aber nicht. Auch Hahne ist Rassist, wenn er trotz des Wissens um den beleidigenden Charakter des N-Wortes darauf beharrt, das Wort weiter zu verwenden. In seiner privilegierten Position wird er vermutlich nie in die Verlegenheit gekommen sein zu hinterfragen, warum es ihm \u00fcberhaupt wehtut, wenn er bestimmte W\u00f6rter, die fr\u00fcher angeblich nicht beleidigend gewesen sein sollen, jetzt nicht mehr nutzen sollte.<\/p>\n Er tut das, weil er in dem Glauben aufgewachsen ist, dass er sich als wei\u00dfer Mann alles erlauben k\u00f6nne. Etwa der zugeschalteten Marlies Kr\u00e4mer h\u00f6chst belehrend ins Wort zu fallen. Kr\u00e4mer hatte um die Nennung von Kundinnen in Sparkassenformularen gek\u00e4mpft, letztlich aber verloren. Selbst als Hahne die individuelle Leistung Kr\u00e4mers hervorheben wollte, konnte der alte, wei\u00dfe Mann das nur in einem herablassenden Ton und mit erhobenen Zeigefinger. Hier schritt Maischberger ebenso wenig ein, wie bei den vielen falschen bzw. ungenauen Informationen, die in der Sendung gestreut wurden. So brachte man als Beispiel f\u00fcr ein generisches Femininum \u201edie Rapperin Bushido\u201c. Das Beispiel ist zwar nicht falsch, aber wer glaubt denn bitte, dass sich der vor toxischer Maskulinit\u00e4t nur so triefende Bushido da gemeint f\u00fchlen w\u00fcrde? Entsprechend zickig reagierte er wie \u00fcbrigens auch Hahne auf das Beispiel. Die Herren der Sch\u00f6pfung konnten sich hier bequem rausreden, dass sie bei solchen Konstruktionen ja direkt angesprochen w\u00fcrden und es daher keinen Sinn machen w\u00fcrde. Leider haben sie da recht. Um dieses \u201emitgemeint sein\u201c besser zu verdeutlichen, h\u00e4tte man so was sagen m\u00fcssen wie: \u201eBushido ist einer der bekanntesten Rapperinnen Deutschlands. Auf dieser Grundlage h\u00e4tte man den Herrn eher damit konfrontieren k\u00f6nnen, dass er sich wohl doch nicht so mitgemeint f\u00fchlt, wie er und andere es von Frauen erwarten.<\/p>\n Generell h\u00e4tte bei der Sendung auf eine ausgewogenere Zusammensetzung der G\u00e4ste geachtet werden m\u00fcssen. Immerhin verzichtete die Maischberger-Redaktion anders als der MDR Sachsen darauf, ein Mitglied einer rassistischen und rechtsextremen Partei einzuladen. Aber auch gut m\u00f6glich, dass niemand von der AfD Zeit hatte. Zwar stimmte das Geschlechterverh\u00e4ltnis (die Moderatorin nicht mitgez\u00e4hlt), aber hier darf man sich auch mal trauen, mehr Frauen als M\u00e4nner einzuladen. Immerhin belehrt Peter Hahne so viel, dass man glatt die dreifache Anzahl an weiblichen G\u00e4sten einladen k\u00f6nnte. Richtig verbockt hat es die Redaktion aber wieder einmal bei der Auswahl nichtwei\u00dfer G\u00e4ste. Ja, anders als der MDR Sachsen lud Maischberger dieses Mal wenigstens die Schwarze Schauspielerin Annabelle Mandeng ein, aber hier zeigt sich auch gleichzeitig das gr\u00f6\u00dfte Problem: Es wurde wieder eine Person ausgew\u00e4hlt, die sehr von der Gunst eines vornehmlich wei\u00dfen Publikums abh\u00e4ngt. Als solche muss sie genau aufpassen, wie sie sich \u00e4u\u00dfert. Das war schon das Problem, als Peter Hahne (Wer sonst?) im Jahr 2013 Jan Fleischauer mit Mola Adebisi \u00fcber das Umschreiben von Kinderb\u00fcchern (Wor\u00fcber sonst?) diskutieren lie\u00df. Auch Adebisi hatte im Leben nicht die Chance, sich offen zu \u00e4u\u00dfern, w\u00e4hrend Fleischhauer vom Leder ziehen konnte. Was h\u00e4tten Adebisi damals und Mandeng am Mittwoch tun k\u00f6nnen? Nicht viel, au\u00dfer seichte Kritik zu \u00fcben und hier und da zuzustimmen, wie recht die Wei\u00dfen doch h\u00e4tten. W\u00fcrde man die Veranstaltung mit einigerma\u00dfen ebenb\u00fcrtigen Kontrahenten besetzen wollen, ginge kein Weg an Schwarzen Aktivisten wie etwa denen von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland vorbei. Die arbeiten bereits seit Jahrzehnten zu diesen Themen. Sie k\u00f6nnen aus erster Hand berichten, was es bedeutet, mit dem N-Wort konfrontiert zu werden. Und selbst wenn die keine Zeit oder Lust h\u00e4tten \u2013 bei Peter Hahne als Gast h\u00e4tte man wohl vollstes Verst\u00e4ndnis \u2013, dann k\u00f6nnten die genug anderen Personen benennen. Wenn sich Hahne traut, kann er gern mit der gro\u00dfartigen Noah Sow diskutieren. Gebt dem Mann dann aber bitte ein Suspensorium.<\/p>\n Vielleicht h\u00e4tte es auch schon geholfen, einander zuzuh\u00f6ren. Immer mal wieder blitzte der Vorwurf auf, man m\u00fcsse sich in Sachen Gleichberechtigung um Wichtigeres k\u00fcmmern als die Nennung von Frauen auf Formularen. Immer wieder wies Kr\u00e4mer darauf hin, dass eben auch das wichtig sei, weil der Kampf um Gleichberechtigung nun mal nicht funktionieren k\u00f6nne, wenn eben die Zielgruppe sprachlich nicht auftaucht: \u201eSprache ist Ausdruck von Denken, F\u00fchlen, Reden, Tun und Handeln. Sie ist unser wichtigstes Integrationsmittel und unser h\u00f6chstes Kulturgut. Also m\u00fcssen die Frauen in dieser Sprache vorkommen.\u201c Sie nennt anschlie\u00dfend das Beispiel der Politiker, die auch dann Politiker genannt werden, wenn \u201e99 Sozialdemokratinnen und ein CDU-Mann\u201c gemeint sind. Anhand solcher Beispiele k\u00f6nnte man tats\u00e4chlich vortrefflich streiten. Stattdessen wurden aber wieder durch Diskussionen in klassischen und sozialen Medien extrem verzerrte Beispiele aus der Mottenkiste geholt, Kinderb\u00fccher durften genauso wenig fehlen wie die Professoren der Universit\u00e4t Leipzig, die sich \u2013 nat\u00fcrlich wieder laut Hahne \u2013 inzwischen Professorin nennen w\u00fcrden. Tun sie nicht.<\/a> Lediglich in der Grundordnung wird das generische Femininum verwendet. Man muss Marlies Kr\u00e4mer fast schon dankbar sein, dass sie das sp\u00e4ter korrekt darstellt.<\/p>\n Maischberger bedankte sich am Ende f\u00fcr eine \u201eextrem differenzierte Debatte\u201c, wobei sich die Frage geradezu aufdr\u00e4ngt, wo die Frau in den vergangenen 75 Minuten war. Dass die Debatte zu nichts f\u00fchren w\u00fcrde, l\u00e4sst sich bei einem Tweet vonTalkshow-Gast Teresa B\u00fccker erahnen:<\/p>\n Peter Hahne hat sich nach der Aufzeichnung verabschiedet mit: \u201eSie k\u00fcmmern sich jetzt weiter um die N*.\u201c #nuffsaid<\/a><\/p>\n \u2014 teresa b\u00fccker (@fraeulein_tessa) 2. Mai 2018<\/a><\/p><\/blockquote>\n\n