{"id":2894,"date":"2010-09-24T18:38:38","date_gmt":"2010-09-24T16:38:38","guid":{"rendered":"http:\/\/afrika.himpenmacher.de\/?p=2894"},"modified":"2014-03-22T00:14:58","modified_gmt":"2014-03-21T22:14:58","slug":"abenteuer-afrika-klischees-rtl2","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/trollbar.de\/2010\/abenteuer-afrika-klischees-rtl2-2894","title":{"rendered":"«Voll das Arschloch»: Afrika-Klischees auf RTL2"},"content":{"rendered":"

Wenn im deutschen Fernsehen vom \u00abAbenteuer Afrika\u00bb die Rede ist, dann muss man grunds\u00e4tzlich damit rechnen, dass Begriffe wie \u00abEingeborene\u00bb oder \u00abSt\u00e4mme\u00bb fallen — oder Schlimmeres. Das Fernsehen ist voller rassistischer Klischees und Vorurteile \u00fcber Afrika, die f\u00fcr viele Menschen als Nichtbetroffene nicht schlimm erscheinen, bei Lichte betrachtet aber dabei helfen, den Status quo in Sachen Voreingenommenheit aufrecht zu erhalten: Afrikaner sind primitiv.<\/em><\/p>\n

Ich kann mir nicht erkl\u00e4ren, wie sich all die d\u00fcmmlichen und herabw\u00fcrdigenden \u00abDoku-Soaps\u00bb im deutschen Fernsehen halten und vor allem auch Traumquoten von 30 Prozent erreichen k\u00f6nnen. Nach meinem Gef\u00fchl unterbieten sich die Privatsender beinahe im Wochentakt mit neuen schlechten Sendungen, von denen manche auch noch frei erfunden<\/a> sind.<\/p>\n

RTL2, das sich als \u00abder<\/em> Sender f\u00fcr Doku-Soaps\u00bb bezeichnet, ist ganz vorn mit dabei. Mitte August versuchte der Sender, sich mit einer vollen Breitseite gegen den guten Geschmack als unangefochtener Spitzenreiter solcher Formate zu positionieren. Eine der drei am St\u00fcck gesendeten Serien: die Abspeckshow \u00abAbenteuer Afrika. Deutsche Teenies bei\u00dfen sich durch\u00bb.<\/a><\/p>\n

In diesem Artikel geht’s mir weniger um die furchtbar herabw\u00fcrdigende Vorf\u00fchrung von acht extrem fettleibigen Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die, so mein Eindruck, im Gegensatz zu den Teilnehmern z.B. von \u00abDas Tier in mir\u00bb<\/a> nicht so richtig wussten, worauf sie sich eingelassen haben. Sicher h\u00e4tten sie nicht mitgemacht, wenn ihnen klar gewesen w\u00e4re, dass sie mit Elefanten verglichen und gar als Fressmaschinen bezeichnet w\u00fcrden. Solche Dem\u00fctigungen haben viele andere<\/a> schon vor<\/a> mir kritisiert.<\/a> Was mich bei dieser unertr\u00e4glichen Sendung besonders nervt, ist die Kulisse, vor der das Spektakel stattfindet.<\/p>\n

Zu Besuch bei den Wilden<\/h1>\n

Die deutschen Medien tun sich eher schwer, afrikanische Themen abseits der typischen Klischees zu behandeln. Meisten sind Berichte stark romantisierend oder sie haken geschwind Afrikas Ks (Kriege, Katastrophen, Krankheiten…) ab. Ganz wichtig dabei sind unausrottbare Stereotype \u00fcber Afrikaner und den Kontinent. So bewirbt auch RTL2 die Sendung \u00abAbenteuer Afrika\u00bb in eurozentristischer Manier. Die acht Dicken werden nach Namibia in die Kalahari verfrachtet und sollen dort mit Mitgliedern des Volkes der Ju|’hoansi zusammenleben:<\/p>\n

\u00abDie Kalahari-W\u00fcste in Namibia. Hei\u00dfes, unwegsames Buschland […] Wilde Tiere, Schlangen und giftige Insekten. Hier zu \u00fcberleben, ist eine Kunst, die nur die Ju|’hoansi beherrschen. Nur wenn die Teenies von dem Eingeborenenstamm lernen und ihre schlechten Gewohnheiten \u00fcber Bord werfen, werden sie das Experiment Afrika \u00fcberstehen. Vor allem eines m\u00fcssen die Teenies lernen: Die Wildnis verzeiht keine Fehler.\u00bb1<\/a><\/sup><\/p><\/blockquote>\n

Wie selbstverst\u00e4ndlich verbinden die Redakteure den \u00abSchwarzen Kontinent\u00bb mit \u00abEingeborenen\u00bb und gef\u00e4hrlichen Tieren. Nur den naturverbundenen \u00abUreinwohnern\u00bb wird zugestanden, sich in der wilden Landschaft auszukennen und ad\u00e4quat auf Gefahren reagieren zu k\u00f6nnen — eben, so ein beliebtes Stereotyp, weil sie als Afrikaner der Natur n\u00e4her stehen als der Kultur.<\/p>\n

Bei einer solchen Behauptung stellt sich zwangsl\u00e4ufig die Frage, wof\u00fcr man eigentlich den Campleiter braucht, der als Mitglied des \u00abExpertenteams\u00bb die meiste Zeit zugegen ist. Verst\u00e4rkt wird die rassistische Konnotation solcher W\u00f6rter durch die st\u00e4ndige Wiederholung von Begriffen wie Steinzeit, Wildnis oder — als Gegenentwurf zum Leben der Ju|’hoansi — Zivilisation (\u00abRaus aus der Zivilisation. Zur\u00fcck zu den Wurzeln, zur\u00fcck zur Steinzeit\u00bb). Ich wundere mich ja schon etwas, dass noch gar kein \u00abH\u00e4uptling\u00bb aufgetaucht ist.<\/p>\n

Liebe Gr\u00fc\u00dfe aus Deutsch-S\u00fcdwest<\/h1>\n

Eng verbunden sind solche Begriffe mit Kolonialismus, Sklaverei und Rassismus. Als sich die Ausbeutung der Menschen und des Kontinents ausbreitete, bedurfte es einer Legitimation f\u00fcr ein Handeln, das mit dem humanistischen Ideal so nicht vereinbar war. Das Aufkommen der Rassentheorien, aber auch darauf aufbauend die koloniale Bennenungspraxis waren bei der Legitimierung des eigenen Tuns hilfreich.<\/a> In der Regel weigerten sich die Kolonialisten, die Eigenbezeichnungen der V\u00f6lker oder die aus Europa bekannten Begriffe zu verwenden. Der Anf\u00fchrer eines \u00abStamms\u00bb war dann also kein Herrscher, K\u00f6nig, Kaiser oder \u00e4hnliches, sondern wurde zum \u00abH\u00e4uptling\u00bb degradiert. Durch die Endung \u00ab-ling\u00bb verkleinert der Begriff das afrikanische Oberhaupt gegen\u00fcber den Invasoren und hat dar\u00fcber hinaus eine tendenziell abwertende Konnotation, wie etwa in \u00abFeigling\u00bb.<\/p>\n

Ebenso zielt der Begriff \u00abStamm\u00bb auf eine angenommene Primitivit\u00e4t und vereinheitlicht die mannigfaltigen Gesellschaftsformen Afrikas zu winzig kleinen, geographisch und kulturell klar abgrenzbaren Einheiten. Im Falle Ruandas z.B. schufen die Kolonialherren schlicht eine nicht vorhandene Ethnizit\u00e4t, indem sie die pr\u00e4kolonialen sozio\u00f6konomischen Gruppierungen als Ethnienmerkmal herangezogen und festigten. Nach dem \u00abTeile und Herrsche\u00bb-Grundsatz\u00a0 bevorzugten sie dann die Minderheit der Tutsi, um ihre Vorherrschaft zu sichern.2<\/a><\/sup><\/p>\n

Schon seit Jahrhunderten weckt der \u00abSchwarze Kontinent\u00bb die abenteuerlichsten Fantasien der Europ\u00e4er. Gerade w\u00e4hrend der Kolonialzeit konnten sich Stereotype z.B. durch V\u00f6lkerschauen<\/a> und Kolonialliteratur festigen. Afrikaner galten und gelten als primitive, kriegerische Menschen, die gut tanzen und singen k\u00f6nnen, immer fr\u00f6hlich und au\u00dferdem im Einklang mit der Natur sind. Primitivit\u00e4t, Fr\u00f6hlichkeit, Naturverbundenheit, Tanz und Gesang hat RTL2 in nur einer Episode abgehakt. Herzlichen Gl\u00fcckwunsch.<\/p>\n

Den Vogel abgeschossen hat eine Teilnehmerin, die einen Leidensgenossen ankeifte, als der (angeblich wegen der Lebensumst\u00e4nde der Gastgeber) in Tr\u00e4nen ausbrach:<\/p>\n

Den geht’s nicht schlecht. Die Kinder tanzen, die singen, die spielen, den geht’s nicht schlecht. Wenn die bei uns in Deutschland w\u00e4ren, die w\u00fcrden sich nicht wohlf\u00fchlen, die w\u00fcrden sich nicht zurechtfinden. Wir haben Handys, wir haben Fernseher, wir haben Computer, wir haben Klingeln, wir haben haben Musik. Wir haben alles. Deswegen kommen die bei uns nicht zurecht.<\/p><\/blockquote>\n

Na klar, in Afrika gibt’s auch noch keine Handys und die Jo|’hoansi haben sicher auch keinerlei Kontakt zu restlichen Bev\u00f6lkerung Namibias und w\u00e4ren demzufolge vollkommen \u00fcberfordert mit der \u00abZivilisation\u00bb, lebten sie in Deutschland. Und die Musik und Klingeln erst. Welch grauenvolle Erfahrungen m\u00fcssten die Wilden bei uns machen.<\/p>\n

Essen gibt es bei den Ju|’hoansi grunds\u00e4tzlich nur, wenn es eigenh\u00e4ndig gefangen und get\u00f6tet wurde; oder gesammelt, wie die Mangettin\u00fcsse, die, wie die Hobby-Wilden schockiert erfahren m\u00fcssen, von Elefanten gefressen und anschlie\u00dfend ausgeschieden werden. Eine Teilnehmerin macht sich dann auch gleich daran, mehrfach auf despektierliche Weise zu betonen, dass sie \u00abElefantenschei\u00dfe fressen\u00bb w\u00fcrden. Besser kann man seine Abscheu vor einer fremden Kultur nicht pr\u00e4sentieren. Ich w\u00fcsste gern mal, ob die Ju|’hoansi sich auch so pampig \u00fcber Schimmelk\u00e4se br\u00fcskieren w\u00fcrden.<\/p>\n

Mit der Kultur der Ju|’hoansi kenne ich mich kaum aus, muss aber an der Glaubw\u00fcrdigkeit der Sendung zweifeln, wenn ich schon nach kurzer Recherche im WWW lese, dass die Volksgruppe heute kaum mehr wie dargestellt leben kann, weil sie durch die Apartheidspolitik vertrieben, auf engstem Raum eingepfercht und ehemalige Jagdterritorien zu Farmland verwandelt wurden. In Ermangelung an Entfaltungsm\u00f6glichkeiten blieb den meisten Mitgliedern nichts anderes \u00fcbrig, als sich anzupassen und z.B. fortan auf Farmen zu arbeiten.<\/p>\n

Zwar gibt es Bestrebungen, die Traditionen der Ju|’hoansi zu retten, z.B. im Nyae-Nyae-Conservancy<\/a>, wo es der Volksgruppe seit 1998 erlaubt ist, traditionell zu jagen und wildlebende Tiere zu nutzen. In der Sendung erf\u00e4hrt man davon aber nichts. Afrikaner werden hier pauschal als \u00abEingeborene\u00bb dargestellt, die grunds\u00e4tzlich im Lendenschurz auf die Jagd gehen. Da wundert es mich ehrlich nicht, dass schwarze Deutsche bzw. Schwarze von ihren wei\u00dfen Mitmenschen allen Ernstes gefragt werden: \u00abWie f\u00fchlt sich das eigentlich f\u00fcr Sie an, jetzt europ\u00e4ische Kleidung zu tragen?\u00bb<\/p>\n

Neben der problematischen Charakterisierung von Schwarzen als \u00abnaturverbunde Eingeborene\u00bb f\u00e4llt stark auf, dass Wei\u00dfe im Gegensatz dazu ausnahmslos die \u00abzivilisierten Experten\u00bb stellen. Im Fall der Ern\u00e4hrungstherapeutin und des Seelsorgers mag das noch angehen, weil die beiden Deutsche sind und sicher auch in Deutschland angeheuert wurden. Dar\u00fcber hinaus wurden aber auch mit dem Ranger und dem Arzt (beide Namibier) Wei\u00dfe als Experten verpflichtet. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es in einem Land, in dem die Mehrheit der Menschen schwarz ist, keine schwarzen \u00c4rzte gibt. Allerdings ist es ein beliebtes Schema, Wei\u00dfe als Experten zu nehmen, die dann \u00fcber die Schwarzen berichten. Man redet nicht mit ihnen sondern \u00fcber sie.<\/p>\n

Damit die \u00abB\u00fcrde des wei\u00dfen Mannes\u00bb ja auch sch\u00f6n griffig wird, darf Dr. Redman den Eindruck erwecken, dass die Ju|’hoansi gar keine medizinische Hilfe erhielten, wenn er sich nicht um sie k\u00fcmmerte. Die medizinische Versorgung in der Region ist zwar in der Tat ein Witz, jedoch ist es nicht korrekt, dass Dr. Redman f\u00fcr gew\u00f6hnlich die Versorgung gew\u00e4hrleistet. Den hatte Endemol eigens f\u00fcr die Untersuchung der Teilnehmer herangekarrt. Es ist positiv, dass die Produktionsfirma wohl auch die Medikation der Ju|’hoansi bezahlte, wenn Dr. Redman auch sie behandelt hat, allerdings sollte man bei den Tatsachen bleiben und sich nicht so aufspielen.<\/p>\n

Alles nur halb so wild?<\/h1>\n

Wo genau die Ju|’hoansi leben, erf\u00e4hrt der Zuschauer nicht. Die Serie erkl\u00e4rt nur schwammig, dass ihr Zuhause das unwegsame Buschland der Kalahari-W\u00fcste ist. Weil ein Mitglied des \u00abExpertenteams\u00bb der Ranger Arno Oosthuysen ist, war davon auszugehen, dass die Serie in der N\u00e4he des von Oosthuysen geleiteten Nhoma-Safari-Camps<\/a> bei Tsumkwe im Norden Namibias gedreht wurde. Da kann man n\u00e4mlich solche Safaritouren (!), wie sie die dicken Deutschen durchmachen m\u00fcssen, selbst buchen. Das hat die Produktionsfirma Endemol dann auch gemacht.<\/p>\n

Die Ju|’hoansi des nahegelegenen Dorfes bieten in Zusammenarbeit mit den Oosthuysens seit 1999 Touren an. Die M\u00e4nner nehmen Touristen dabei zu Erkundungen mit, die sich tats\u00e4chlich zu Jagden entwickeln k\u00f6nnen. In 99 Prozent aller F\u00e4lle sind sie aber nicht erfolgreich, weil es in dem Gebiet nur sehr wenig Wild gibt. Der Tourismus, der beileibe kein Vollzeitjob ist, bietet den Familien eine Einnahmequelle. Dass das Dorf von dem Geld der Touristen z.B. Lebensmittel kauft, um die gesammelten Nahrungsmittel zu erg\u00e4nzen, erf\u00e4hrt der RTL2-Zuschauer nicht. Genauso wenig erf\u00e4hrt er, dass Endemol sowohl die vier an den Dreharbeiten beteiligten Familien, das Dorf als auch dass Nyae-Nyae-Conservancy finanziell entlohnt hat.3<\/a><\/sup> Ist ja auch klar: Will man den Eindruck erwecken, dass man im afrikanischen Busch nur etwas Essbares hat, wenn man es erlegt oder sammelt, dann passt ein shoppender Eingeborener nicht ins Konzept. Futsch ist das Bild erst recht, wenn der Zuschauer erf\u00fchre, dass der gemeine Eingeborene auch noch staatliche Leistungen (Nahrungsmittel, Rente ab 60) erh\u00e4lt.<\/p>\n

Die Ju|’hoansi sind tats\u00e4chlich eine Volksgruppe, die erstmalig in den 1940er Jahren Kontakt zur Zivilisation nach unserem Verst\u00e4ndnis hatten. Das hei\u00dft aber noch lange nicht, dass sie heute halbnackt in Lendenschurzen oder Tierfellen rumlaufen und nur Tiere jagen w\u00fcrden. Interessant ist \u00fcbrigens, dass deutsche Touristen, die Urlaub in dem Camp machen, oft genau das denken — und zu allem \u00dcberfluss glauben, ein Volk verl\u00f6re seine Kultur, weil es jetzt T-Shirts und Hosen tr\u00e4gt. Dabei laufen die J\u00e4ger extra f\u00fcr die Touristen im Lendenschurz rum. Denn so was erh\u00f6ht den \u00abMarktwert\u00bb. Die Touristen interessieren sich normalerweise nicht f\u00fcr die heutigen Ju|’hoansi, sondern wollen ein Bild vermittelt bekommen, wie es bis vor 60, 70 Jahren existent war. Denn nur das passt zum Bild des \u00abEingeborenen\u00bb. Selbiges darf sicher auch f\u00fcr das deutsche Fernsehen gelten. Die Herausforderung, auf einem schn\u00f6den niederbayerischen Bauernhof auszuharren wirkt nun mal gleichwohl ungef\u00e4hrlicher als das nackte \u00ab\u00dcberleben\u00bb in einem afrikanischem Dorf fernab jeglicher Zivilisation. Dabei ist es eigentlich ein Ziel der Oosthuysens, den Touristen eine Kombination aus traditioneller und zeitgen\u00f6ssischer Kultur zu vermitteln.<\/p>\n

\u00abAbenteuer Afrika\u00bb ist also gleich eine doppelte Frechheit. RTL2 wirft nicht nur mit den aller\u00fcbelsten Stereotypen um sich, sondern\u00a0enth\u00e4lt dem Zuschauer auch alle Informationen vor, die verdeutlichen w\u00fcrden, dass die \u00abWilden\u00bb gar nicht so wild sind. Interessant ist \u00fcbrigens, dass die Ju|’hoansi gelegentlich gut wegkommen. Das passiert in der Regel aber nur, um die Kandidaten in ein schlechtes Licht r\u00fccken zu k\u00f6nnen. Wenn etwa eine Teilnehmerin ein Camp als M\u00fcllkippe bezeichnet, dann nutzt RTL2 die Gelegenheit, darauf zu verweisen, wie reinlich die Ju|’hoansi seien, wohingehend \u00abdie wahre M\u00fcllkippe\u00bb tausende Kilometer entfernt in der Wohnung eben jener Kandidatin zu finden sei. Wenn RTL2 sagt, dass die Ju|’hoansi ein friedliebendes Volk seien, dann geht das nicht ohne den Hinweis, dass sich die Teilnehmer st\u00e4ndig streiten usw. usf.<\/p>\n

Es versteht sich von selbst, dass \u00abAbenteuer Afrika\u00bb alles andere als geeignet ist, mit Klischees \u00fcber den Kontinent aufzur\u00e4umen, zumal solche Formate ja gerade davon leben, Klischees und Vorurteile zu bedienen. Jedoch halte ich es f\u00fcr au\u00dferordentlich b\u00f6swillig, sich als Set ausgerechnet ein afrikanisches \u00abEingeborenendorf\u00bb auszusuchen, wo die Bewohner zu blo\u00dfen Statisten in einer zutiefst unw\u00fcrdigen Sendung degradiert werden. Einer der letzten S\u00e4tze einer Protagonistin am Ende der zweiten Folge macht dann auch gro\u00dfe Vorfreude auf das, was den Zuschauer in den restlichen Episoden bl\u00fchen w\u00fcrde: \u00abAfrika ist halt auch manchmal voll das Arschloch\u00bb.<\/p>\n

W\u00e4re es nicht so zynisch, k\u00f6nnte man der Sendung zu Gute halten, dass sie nur \u00abAbenteuer Afrika\u00bb hei\u00dft. In einem \u00e4hnlichen Format hatte schon einmal Sat1 Afrikaner als Fremde mit merkw\u00fcrdigen Sitten vorgef\u00fchrt. Die Sendung damals macht nun gar keinen Hehl aus der eurozentristischen Arroganz und trug sie gleich im Namen: Wie die Wilden — Deutsche im Busch.<\/a> Obwohl da drei \u00abDurchschnittsfamilien\u00bb selbst Fremde waren, wurden nicht sie, sondern die Gastgeber als Fremde charakterisiert. Die \u00abSt\u00e4mme\u00bb waren hier wieder nur Kulisse. W\u00e4hrend selbst der Hund einer Familie mit Namen vorgestellt wurde (Schr\u00f6der), blieben die der \u00abEingeborenen\u00bb unbekannt.4<\/a><\/sup><\/p>\n

Das einzig Positive, das es \u00fcber \u00abAbenteuer Afrika\u00bb zu berichten gibt, sind die schockierend niedrigen Einschaltquoten, die RTL2 dazu veranlassten, die Sendung bisher zweimal zu verschieben. Startete sie montags 20.15 Uhr, wurde sie schon nach zwei Wochen um eine Stunde nach hinten geschoben, wo zuerst \u00abDas Tier\u00bb in mir lief. Mittlerweile hat die Soap einen Sendeplatz am Samstag erhalten — auf dem sie mit 2,4 Prozent ebenfalls floppte.<\/a> Luft nach unten ist noch.<\/p>\n

***<\/p>\n

Der Artikel hatte ich urspr\u00fcnglich Ende August geschrieben, aber mit dessen Ver\u00f6ffentlichung gewartet, weil ich sowohl Endemols Pressesprecherin Sandra Freyberg als auch den f\u00fcr die Sendung verantwortlichen Produktionsleiter Frank Kr\u00e4mer um ein Statement gebeten hatte.<\/p>\n

Ich wollte u.a. wissen, welches Recht man sich rausnimmt, Teilnehmer derartig zu dem\u00fctigen und warum die Show ausgerechnet vor einer Kulisse stattfinden musste, die sich hervorragend dazu eignet, afrikanische Stereotype zu reproduzieren. Zwar st\u00f6berten sowohl Ergo PR als auch RTL2 auf meinem Blog rum. Eine Antwort erhielt ich jedoch nicht. So kann man nat\u00fcrlich auch PR betreiben.<\/p>\n

\n
<\/div>\n

Show 4 footnotes<\/span><\/a><\/p>\n

    \n
  1. Die meisten Zitate stammen aus der zweiten Folge. Die erste habe ich verpasst. ↩<\/a><\/span><\/li>\n
  2. Stichwort: politisierte Ethnizit\u00e4t. ↩<\/a><\/span><\/li>\n
  3. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann muss man f\u00fcr Dreharbeiten in solchen Territorien generell zahlen. ↩<\/a><\/span><\/li>\n
  4. \u00dcber die Qualit\u00e4t der Webseite zur Sendung lasse ich mich besser nicht aus. Da rollen sich ja einem die Fu\u00dfn\u00e4gel hoch. ↩<\/a><\/span><\/li>\n<\/ol>\n<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

    Wenn im deutschen Fernsehen vom \u00abAbenteuer Afrika\u00bb die Rede ist, dann muss man grunds\u00e4tzlich damit rechnen, dass Begriffe wie \u00abEingeborene\u00bb oder \u00abSt\u00e4mme\u00bb fallen — oder Schlimmeres. Das Fernsehen ist voller rassistischer Klischees und Vorurteile \u00fcber Afrika, die das Bild Afrikas als primitiver Kontinent verfestigen.<\/p>\n","protected":false},"author":354,"featured_media":9832,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"image","meta":[],"categories":[55],"tags":[42,43,41],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2894"}],"collection":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/354"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=2894"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/2894\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/9832"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=2894"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=2894"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=2894"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}