V\u00f6lkerfreundschaft<\/em> wird die rassistisch motivierte Ablehnung gegen Asylbewerber besonders deutlich. Da wird n\u00e4mlich ein Konzept zur dezentralen Unterbringung von Fl\u00fcchtlingen diskutiert. Dieses auszuarbeiten, hat die Stadt 2010 entschieden, nachdem verschiedene Initiativen Druck ausge\u00fcbt hatten. Im Mai wurde es vorgestellt, im Juni wird es in den einzelnen Stadtbezirksbeir\u00e4ten debattiert, so auch in Gr\u00fcnau. Denn eine der neuen Einrichtungen soll in dem Stadtteil stehen. Zumeist sollen nicht mehr als 50 Menschen in einem Haus leben. Nur f\u00fcr die Gr\u00fcnauer Unterkunft plant die Stadt bis zu 180 Bewohner. Das ginge nicht anders, sagt sie, denn die Zeit dr\u00e4nge. Leipzig m\u00fcsse wegen erh\u00f6hter Zuweisungszahlen auf das Geb\u00e4ude in der Wei\u00dfdornstra\u00dfe ausweichen. Prompt formiert sich Widerstand. Nicht nur in Gr\u00fcnau.<\/p>\nSich selbst bezeichnen die Gegner als besorgte B\u00fcrger. Doch in den Sitzungen der Stadtbezirksbeir\u00e4te wird eines sehr schnell klar: Ausl\u00e4nder sind hier schlicht unerw\u00fcnscht. So erregt sich ein Anwohner, ob er denn jetzt immer Angst haben m\u00fcsse, wenn seine Frau abends allein von Arbeit komme. Ein anderer beschwert sich: „Da wird an kirchlichen Feiertagen orientalische Musik abgeleiert.“ An diesem Abend werden noch viele Vorw\u00fcrfe folgen. Auch das Wort „Scheinasylant“ wird fallen. Leipzig. 2012.<\/p>\n
Gegenw\u00e4rtig leben die Ausl\u00e4nder, vor denen die Leipziger Angst haben, zusammengepfercht in einem gro\u00dfen Geb\u00e4udekomplex in der Torgauer Stra\u00dfe. Das Geb\u00e4ude ist heruntergekommen und liegt weit abgeschlagen am Rande der Stadt. Von einer Integration in die Leipziger Gesellschaft kann keine Rede sein. Mit der dezentralen Unterbringung soll sich das jetzt \u00e4ndern. Doch die Einsch\u00e4tzung einer Frau, die kein Problem hat, ihre Abscheu in die Kamera zu sprechen, steht bildhaft f\u00fcr ein verkrampftes Verh\u00e4ltnis zu Fremden: „Die m\u00fcssen nicht unbedingt hierhin, weil hier ist ja ein Wohngebiet und das passt halt nicht hierher“.<\/p>\n
Manchmal argumentieren Leipziger ganz besonders hinterh\u00e4ltig, indem sie ihre Ressentiments in humanistische Ideale kleiden, so z.B. in Wahren, wo eine Unterkunft mit 70 Asylbewerbern eingerichtet werden soll. Es sei doch eine Zumutung f\u00fcr die armen Ausl\u00e4nder, wenn so viele von ihnen in einem Geb\u00e4ude leben m\u00fcssten. Dass die Menschen bisher in der heruntergekommenen Torgauer Stra\u00dfe 290 hausen m\u00fcssen, st\u00f6rt die Wahrener aber nicht. Daher l\u00e4sst Benjamin W. diese Aussage auch nicht gelten. W. ist Mitinitiator der AG Dezentralisierung: Jetzt!<\/em>, einer Initiative, die sich f\u00fcr die dezentrale Unterbringung von Asylbewerbern in der Messestadt einsetzt. „Das ist wenig glaubw\u00fcrdig, da es den Menschen bislang nicht um die Asylsuchenden ging, sondern um die eigene Scholle. Es gab gen\u00fcgend M\u00f6glichkeiten, sich bereits vor der Debatte zu informieren und aktiv zu werden. Das haben die wenigsten getan.“<\/p>\nWiderliche Argumente in einer feindseligen Debatte<\/strong><\/em><\/p>\nDie Gr\u00fcnauer, die in ihrer Argumentation nicht ganz so gelenk sind wie die Eigenheimbesitzer in Wahren, fordern gar einen Zaun um die Unterkunft. Aber eigentlich d\u00fcrfe da kein Zaun mehr stehen, argumentiert jemand. Denn auf dem Gebiet der Wei\u00dfdornstra\u00dfe habe doch mal ein KZ-Au\u00dfenlager gestanden. Also d\u00fcrften auch nicht die Asylanten da hin. Kein Zaun. Keine Ausl\u00e4nder. So einfach geht das in Leipzig. Der Einwand vom Podium, es m\u00fcsse zwar eine Abgrenzung vorhanden sein, d\u00fcrfe aber auch aus einer Hecke bestehen, wird vom Publikum verlacht. \u00dcberhaupt wird an diesem Abend viel gelacht.<\/p>\n
Die Debatte, wie sie aktuell in Leipzig gef\u00fchrt wird, entspricht so gar nicht der Darstellung der Stadt als weltoffene Metropole. Ganz im Gegenteil wird verdeutlicht: Rassismus ist nicht nur ein Randph\u00e4nomen, nicht nur Einstellung tumber Neonazis, wie sich der Osten gern verteidigt. Nein, hier wird Rassismus von der Mitte der Gesellschaft artikuliert, er wird gelebt. Es gibt keine stichhaltigen Argumente, die gegen eine Integration von Ausl\u00e4ndern in die einzelnen Stadtteile spr\u00e4chen. Die Anwohner bekunden lediglich: Wir haben Angst. Warum, das k\u00f6nnen oder wollen sie nicht belegen.<\/p>\n
Aber auch in Leipzig geht es anders. Gleiches Thema, anderer Stadtbezirksbeirat. der SBB Nord muss ebenfalls \u00fcber das Konzept entscheiden, weil in der Eythstra\u00dfe eine Unterkunft mit 30 Menschen eingerichtet werden soll. Zu der Veranstaltung erscheinen verh\u00e4ltnism\u00e4\u00dfig wenige Menschen, wenn auch der Bezirksrat erkl\u00e4rt, dass deutlich mehr Besucher da seien als sonst. Zwanzig, vielleicht drei\u00dfig zumeist junge Menschen h\u00f6ren dem Vortrag zu. Zivilisiert. In den vergangenen Tagen war das nicht immer der Fall. Nachdem Sozialb\u00fcrgermeister Fabian mit der Vorstellung des st\u00e4dtischen Integrationsplans durch ist, stellen der Bezirksbeirat und einige G\u00e4ste Fragen zum Konzept. Am Ende wird es vom SBB mit nur einer Enthaltung angenommen. Und das, obwohl in der Eythstra\u00dfe insbesondere Menschen mit seelischen St\u00f6rungen oder Drogenproblemen unterkommen sollen. Die Stadt plant, hier eine st\u00e4rkere Betreuung zu gew\u00e4hrleisten. Au\u00dferdem ist das Klinikum Sankt Georg nahe gelegen. Ja, Leipzig hat auch ein anderes Gesicht. Negativ sticht lediglich ein Gr\u00fcnauer hervor, der extra zur Sitzung des SBB Nord gekommen ist. Der will wissen, welchen Nationalit\u00e4ten die Asylbewerber angeh\u00f6ren. Als h\u00e4tte die Abstammung bedeutsame Auswirkungen auf das Umfeld. Gekicher im Saal.<\/p>\n
\u00c4nderungen am Entwurf angek\u00fcndigt<\/strong><\/em><\/p>\nF\u00fcr die Menschen, die die Hilfe der Stadt brauchen, hat der Protest von beiden Seiten zumindest einen Vorteil: Sozialb\u00fcrgermeister Fabian sichert auf der Sitzung des SBB Nord nochmals zu, dass der geplante Standort in Wahren, anders als im Konzept kalkuliert, jetzt definitiv nur noch 50 Menschen aufnehmen wird. Und auch f\u00fcr Gr\u00fcnau ist er sich sicher, dass die Einrichtung von zurzeit 180 vorgesehenen Pl\u00e4tzen deutlich reduziert werde. Genaue Zahlen nennt er jedoch nicht. Benjamin W. sagt dazu: „Wir finden es generell gut, wenn weniger Asylsuchende auf engem Raum leben m\u00fcssen. Auch die Unterbringung von rund 200 Bewohnern in der Wei\u00dfdornstra\u00dfe ist kein dezentrales Wohnen“.<\/p>\n
Zudem zeigte sich: Durch die angeheizte Debatte meldeten sich jetzt mehr Leipziger beim Fl\u00fcchtlingsrat, weil sie gern eine Patenschaft f\u00fcr Asylbewerber \u00fcbernehmen wollen und fragen, was sie tun k\u00f6nnen. Eine Antwort gibt es darauf noch nicht, da das Modell bisher nicht abschlie\u00dfend ausgearbeitet sei.<\/p>\n
Rauher Wind bl\u00e4st indes aus der ganz rechten Ecke: Die NPD will die Abneigung der Leipziger gegen die Ausl\u00e4nder f\u00fcr sich nutzen und fordert: „Au\u00dferhalb der Sammelunterkunft in der Torgauer Stra\u00dfe muss Leipzig asylantenfrei bleiben“. Wenn die „hergelaufenen Asylanten“ zwangsumgesiedelt w\u00fcrden, so die Partei auf ihrer Webseite, m\u00fcsse sich die Stadt auf eine „massive \u00d6ffentlichkeitskampagne“ gefasst machen. Von den B\u00fcrgern, die sich gegen die Ausl\u00e4nder aussprechen, ist nicht bekannt, dass sie sich von der NPD distanziert h\u00e4tten.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"
In Leipzig soll eine marode Unterkunft f\u00fcr Asylbewerber geschlossen werden und die Stadtverwaltung will die dort lebenden Menschen auf sieben Unterk\u00fcnfte in der Stadt verteilen. Sie erhofft sich davon eine st\u00e4rkere Integration der Menschen in die Gesellschaft und auch bessere Lebensbedingungen. Doch die Anwohner der betroffenen Viertel wehren sich mit rassistischen Argumenten. Eine Bestandsaufnahme.<\/p>\n","protected":false},"author":354,"featured_media":10076,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"image","meta":[],"categories":[5],"tags":[34,56,166],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/7678"}],"collection":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/354"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=7678"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/7678\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/10076"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=7678"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=7678"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/trollbar.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=7678"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}