{"id":9051,"date":"2013-11-24T02:31:27","date_gmt":"2013-11-24T00:31:27","guid":{"rendered":"http:\/\/afrika.himpenmacher.de\/?p=9051"},"modified":"2014-03-22T15:08:33","modified_gmt":"2014-03-22T13:08:33","slug":"knorkator-leitfaden-rassismus","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/trollbar.de\/2013\/knorkator-leitfaden-rassismus-9051","title":{"rendered":"Ein knorke Leitfaden f\u00fcr emp\u00f6rte Betroffenheit"},"content":{"rendered":"

Schei\u00dfe! Jetzt hat’s auch Sie erwischt! Jemand hat Sie mit Rassismus in Verbindung gebracht. Neulich denken Sie in Ihrer illustren wei\u00dfen Runde noch: \u00abHahaha, lustiges [Ihr Produkt] mit ’nem Kannibalen vorn drauf. Wird der Burner! Die Fans werden das LIE-BEN!\u00bb Bedauerlicherweise kam der Tag der Ver\u00f6ffentlichung so \u00fcberraschend, dass sie es nicht mehr geschafft hatten, sich \u00fcber den diskriminierenden und rassistischen Gehalt Ihres Materials zu informieren. Jetzt sind ein paar Menschen sauer auf Sie<\/a>. Was tun? Wichtig: Nur nicht \u00fcber- oder einschnappen. Ihre Reaktion sollte gut durchdacht sein. Das geht am besten, in dem Sie mit Unverst\u00e4ndnis, Vorw\u00fcrfen und Unterstellungen antworten. Hier steht, wie’s geht.<\/p>\n

1. Seien Sie betroffen!<\/strong>
\nZuerst einmal: Sie sind erschrocken und entt\u00e4uscht, dass da jetzt wirklich jemand Kritik ge\u00e4u\u00dfert hat. Wer konnte denn bei einem so homogenen Land wie Deutschland ahnen, dass es hier von Rassismus betroffene Menschen geben k\u00f6nnte. Dass die sogar genau benennen, was schief gelaufen ist, haut vollends dem Fass die Krone aus. Machen Sie also gleich zu Beginn unmissverst\u00e4ndlich klar:
\u00abIch bin erschrocken und entt\u00e4uscht\u00bb<\/a>.<\/p>\n

2. Belehren Sie!<\/strong>
\nNachdem Sie das erledigt haben, sollten Sie erst mal ein bisschen von oben herab belehren. Sie k\u00f6nnen zum Beispiel sagen, dass das, was Sie machen, Kultur ist, die streitbar sein k\u00f6nne. Alternativen: \u00abMeinungsfreiheit!11!!\u00bb, \u00abZensur!!!11\u00bb, \u00abHamwa aber immer schon so gemacht!11!!\u00bb Verst\u00e4rken Sie Ihre Belehrungen durch Wendungen wie \u00abbekanntlich\u00bb, \u00aballgemein bekannt\u00bb, \u00abwie jeder wei\u00df\u00bb, \u00abschon meine Oma hat\u00bb. Damit wirken Sie informiert.<\/p>\n

3. Haben Sie schwarze Freunde, je dunkler desto besser!<\/strong>
\nWenn Sie in der \u00d6ffentlichkeit stehen, bietet es sich an, mit einem Mitglied einer marginalisierten Gruppe befreundet zu sein. In der Auseinandersetzung ist das ein Gewinn in dreierlei Hinsicht:<\/p>\n

1. Sie k\u00f6nnen der Person die Verantwortung zuschieben. Immerhin h\u00e4tte diese protestieren k\u00f6nnen. Ignorieren Sie vorhandene Machtgef\u00fcge, die die Person, die Sie kennen, wom\u00f6glich veranlassen k\u00f6nnte, nicht kritisch auf rassistischen Bullshit zu reagieren. Pluspunkt: Sollte besagte Person gar keine Meinung dazu haben, d\u00fcrfen Sie dies als vorbehaltlose Zustimmung werten.<\/p>\n

2. Ihr Ausrutscher wirkt gleich viel unrassistischer. Von einem Katzenbesitzer w\u00fcrde man ja auch nicht erwarten, dass er Katzen hasst, obwohl er seine Katze hin und wieder mal \u00abbl\u00f6des Vieh\u00bb nennt.<\/p>\n

3. Ihnen bietet sich die einmalige M\u00f6glichkeit, die Meinung der Person \u00fcber die der Kritiker zu stellen, seien es auch noch so viele. Das ist wie eine Karte, der immer sticht: \u00abJa, aber ich habe einen schwarzen Freund, der das gar nicht doof findet.\u00bb Gleiches gilt \u00fcbrigens auch, wenn sich vorher noch nie jemand bei Ihnen (!) \u00fcber einen Sachverhalt beschwert hat: \u00abIch zum Beispiel habe noch nie einen Schwarzen getroffen, der daran Ansto\u00df genommen h\u00e4tte\u00bb<\/a>. Ignorieren Sie die M\u00f6glichkeit, dass Sie kreuzunsymphatisch sein k\u00f6nnten und schwarze Menschen deshalb nicht ausgerechnet zu Ihnen gerannt kommen, um \u00fcber ihr Leben mit rassistischer Ausgrenzung zu berichten. Ignorieren Sie weiterhin, dass Rassismuserfahrungen sich nur sehr bedingt f\u00fcr Smalltalk eignen.<\/p>\n

4. Beteuern Sie, kein Rassist zu sein!<\/strong>
\nDa nun offensichtlich doch jemand Ansto\u00df genommen hat, m\u00fcssen Sie ein f\u00fcr alle mal klarstellen, dass Sie kein Rassist sind, auch dann, wenn sie niemand Rassist genannt, Sie aber auf den Gebrauch rassistischer Begriffe und Bilder hingewiesen hat. Das zieht am besten, indem Sie Dinge aufz\u00e4hlen, die sie immer freisprechen. Die Top 3:
\u00abIch habe schon f\u00fcr Afrika gespendet\u00bb<\/a>, \u00abIch habe schon Urlaub in Afrika gemacht\u00bb und \u00abIch habe selbst ausl\u00e4ndische\/afrikanische\/[beliebige diskriminierte Gruppe] Freunde\/Kollegen\/Nachbarn\u00bb.<\/p>\n

Gegebenenfalls sollten Sie sich bei anderen Wei\u00dfen r\u00fcckversichern, dass bestimmte Begriffe nicht rassistisch sind. Je mehr Nichtbetroffene Sie fragen, desto besser. RTL w\u00fcrde in einem Beitrag \u00fcber ge\u00e4nderte Begriffe in der kleinen Hexe<\/a> ja auch nicht auf die absurde Idee kommen, Betroffene zu fragen, was sie davon halten.<\/p>\n

5. Lamentieren Sie \u00fcber Einschr\u00e4nkungen!<\/strong>
\nSeien Sie verwirrt! Es muss klar sein, dass Sie beim besten Willen nicht nachvollziehen k\u00f6nnen, woher die (massive) Kritik jetzt kommt und dass sie sich eingeschr\u00e4nkt f\u00fchlen. Sie k\u00f6nnten zum Beispiel \u00f6ffentlich \u00fcberlegen, wie sie ihre schwarze Freundin nennen, die im vermurksten Projekt involviert gewesen ist. Erw\u00e4gen Sie blo\u00df nicht, sie einfach selbst zu fragen. Sollte ein Verein auf Sie zugekommen sein, der die Benennung schon im eigenen Namen tr\u00e4gt, ignorieren Sie die bitte. Marotten wie Selbstbenennungspraxis wollen wir gar nicht erst einrei\u00dfen lassen. Falls Sie doch eine Eigenbezeichnung verwenden wollen, dann bitte nur in Anf\u00fchrungsstrichen oder
betont ironisch<\/a>.1<\/a><\/sup> Besser k\u00f6nnen Sie Distanz nicht ausdr\u00fccken.<\/p>\n

6. Seien Sie paternalistisch!<\/strong>
\nGeben Sie Tipps, wie man ad\u00e4quat auf Rassismus zu reagieren hat. Dabei sollten sie auch immer durchblicken lassen, dass die Kritiker sich das nur eingebildet haben oder zu sensibel sind. Ihr Tipps tragen Sie am besten vorwurfsvoll vor. Geht immer: Man muss doch nur mal das Gespr\u00e4ch suchen, bevor man solche Vorw\u00fcrfe in den Raum stellt. Ignorieren Sie dabei auf jeden Fall, dass Sie vorher nicht auf die Idee gekommen sind, Ihr Produkt au\u00dferhalb Ihres wei\u00dfen Dunstkreises zu testen. Ignorieren Sie weiter, dass die Menschen, die sich zu Wort gemeldet haben,
Experten auf dem Gebiet von Rassismus<\/a> sein k\u00f6nnten, weil sie diesem zum Teil viele, viele Jahrzehnte ausgesetzt waren und auch sind.<\/p>\n

Bringen Sie ruhig Weisheiten Ihrer verstorbenen Verwandten. Das macht Sie irgendwie nachdenklich und Sie stellen sicher, dass Sie keine Kritik ernten, denn \u00fcber Tote darf man ja nichts Schlimmes sagen. (Vorsicht: In bestimmten F\u00e4llen findet diese Regel keine Anwendung.)<\/p>\n

Seien Sie zum Schluss noch mal sch\u00f6n herablassend und bezeichnen Sie Ihr vorwurfsvolles Pl\u00e4doyer als Gespr\u00e4chsangebot. Unterstellen Sie vorsichtshalber die M\u00f6glichkeit, dass eine konstruktive Kritik im Keim erstickt w\u00fcrde d\u00fcrfte, Sie aber nichts daf\u00fcr k\u00f6nnten. Immerhin sind Sie f\u00fcr Ihren monologischen Dialog \u00fcber Ihren Schatten gesprungen.<\/p>\n

7. Bonustipp: Binden Sie Ihre Fans ein!<\/strong>
\nFalls Sie eine Facebookseite haben, dann k\u00f6nnen Sie die kontinuierliche Reproduktion von
Beleidigungen<\/a>, diskriminierenden und rassistischen<\/a> Begriffen und Kommentaren<\/a> an Ihre \u00abFans\u00bb<\/a> outsourcen. Wenn Sie nicht (ad\u00e4quat) auf deren Entgleisungen reagieren, wirkt Ihre Stellungnahme, frei von jeder Art von Rassismus zu sein oder so etwas auch nur im entferntesten zu tolerieren, noch viel glaubw\u00fcrdiger.<\/p>\n

* * *<\/p>\n

Nachtrag, 28. Nov.:<\/strong> Knorkator hat, vielleicht weil die Band \u00aberschrocken und entt\u00e4uscht\u00bb ist, wie viel Rassismus durch ihre Fans auf die Facebookseite gekippt worden war, die Rei\u00dfleine gezogen und sowohl das verkl\u00e4rende und abstreitende Statement als auch das entsprechende Cover gel\u00f6scht.<\/p>\n

Vielleicht hat die Band das alles auch nur deshalb gel\u00f6scht, weil sie keinen Bock mehr hatte, sich mit ihrer Schei\u00dfe auseinanderzusetzen. Das jedenfalls muss man annehmen, wenn man sich den Kommentar<\/a> anschaut, der ver\u00f6ffentlicht wurde, nachdem jemand gefordert hatte, die betreffenden Materialen auch bei den Medienpartnern zu entfernen.<\/p>\n

\n
<\/div>\n

Show 1 footnote<\/span><\/a><\/p>\n

    \n
  1. Nachtrag, 6. Dez.:<\/strong> Weil ich heute beim Mailfach aufr\u00e4umen wieder darauf gesto\u00dfen bin, habe ich gleich noch Torsten Dewi (Wortvogel) verlinkt, der die Derailing<\/a>-Strategien wie kein Zweiter beherrscht. F\u00fcr seine Kommentare erlaube ich mir sogar eine Triggerwarnung<\/strong>. ↩<\/a><\/span><\/li>\n<\/ol>\n<\/div>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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