Eine viel zur kurze Medienschelte. Zurzeit rauscht eine Meldung durch die Medien, wonach sich die Zahl der von der Bundespolizei gefassten sog. Schleuser im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt habe:
„Allein die Bundespolizei hat in diesem Jahr über 1500 Schleuser festgenommen. Mit der Ware Mensch macht man derzeit mehr Kasse als mit Drogen und Waffen“, wird Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei, u.a. von der Tagesschau zitiert.
Die Nachricht nervt mich ganz schön, weil alle Meldungen, die dazu in den letzten Tagen bei mir aufpoppten, so einige Schwächen haben. Ich möchte nur kurz auf folgende Aspekte eingehen:
- Mir ist bisher kein einziger Bericht untergekommen, in dem konsequent von mutmaßlichen Schleusern die Rede war. Im günstigsten Fall wechselten „mutmaßliche Schleuser“ und „Schleuser“ ab. Zwar sind deutsche Gerichte sehr darum bemüht, deutsche Abschottungspolitik umzusetzen (siehe Taxifahrer-Prozesse), aber von der Polizei gefasste Personen sind eben erst mal nur mutmaßliche Täter.
- Mit Wörtern und Worten wird Politik gemacht. Mir ist bisher kein einziger Bericht untergekommen, in dem von Fluchthelfern anstelle von Schleusern oder gar Schleppern gesprochen wurde. Wenn Medien sich der billigen Rhetorik von den rücksichtslosen Schleppern bedienen, dann kommt das Politik (höhere Mauern!1!) und Polizei (mehr Beamte1!!) sehr entgegen.
- Kein Bericht nennt die strukturellen Gründe, warum Fluchthelfer Hochkonjunktur haben: Flucht (ganz besonders nach Deutschland) wird zunehmend illegalisiert. Siehe Dublin-Abkommen, Diskussionen um sog. sichere Herkunftsstaaten und Verschärfung des Asylsrechts.
- Kein Bericht erklärt, wer so alles als Schleuser gilt. Neben dem Klischeebild eines gewissenlosen Geschäftetreibers fallen darunter z.B. auch Taxifahrer, LKW-Fahrer und Anbieter von Mitfahrgelegenheiten, die illegalisierte Menschen befördern.
„Seit 2013 hat die Zahl der Schleuser extrem zugenommen – genauer die Zahl derer, die die Polizei dessen verdächtigt.“ Dieser Satz ist inhaltlich korrekt.
Preisfrage: Wo wurde der, auch noch ganz weit oben im Artikel, veröffentlicht?
( ) Focus Online
( ) FAZ
( ) BILD
( ) Huffington Post
( ) Spiegel Online
Ich geb’s zu: Das kam überraschend. Danach wurde aber auch der Fehler gemacht, nicht von Tatverdächtigen zu sprechen.
Bild: Bundespolizei
„Mit Wörtern und Worten wird Politik gemacht. Mir ist bisher kein einziger Bericht untergekommen, in dem von Fluchthelfern anstelle von Schleusern oder gar Schleppern gesprochen wurde. “ – Ich würde hier noch einen großen Schritt weitergehen. Als Künstlerinnen beobachten meine Kollegin Katharina Wessel und ich das schon eine Weile, und die Sprache rund um das Thema Flucht wird zu einer Art Theater aufgebaut: Wie oft wird der Begriff „Flüchtlingsdrama“ gebraucht? Und wie sind in diesem sogenannten Drama dann die Rollen verteilt: Der Flüchtling, der Schlepper, wir. Es ist natürlich enorm entlastend, wenn Schlepper und Schleuser die Rolle des Bösewichts spielen müssen, denn dann müssen wir das nicht selbst tun. So lange die schuldig sind, sind wir bestenfalls Zuschauer, vielleicht noch die unsichere Dorfbevölkerung oder die verzweifelten kleinen Leute, die war unternehmen müssen – gezwungen durch die anderen. In jedem Fall auf der Bühne gewaltig entlastet. Und schließlich die Rolle des „Flüchtlings“ – natürlich beschreibt das Wort erstmal den Fakt, dass hier ein Mensch geflüchtet ist. Bei Schlagzeilen wie „Flüchtlingssterben im Mittelmeer“ oder „300 Afrikaner sterben…“ kann ich aber nicht umhin festzustellen, dass es eine sehr bequeme Distanz schafft, dass da nicht schlicht und einfach „Menschen“ steht. Letztendlich bedient das Rassismus und eine rassistische Flüchtlingspolitik. Denn in so einem Theaterstück gewinnen in erster Linie die Leute, denen es leicht gemacht wird. Traurig.
Zur Zeiten des Kalten Krieges nannte man „Schleuser“ u. „Schlepper“ so wie du es richtig formuliert hast, ,“Fluchthelfer“ und die galten in der Zeit als hoch angesehen, da „moralisch einwandfrei“.
Vorausgesetzt die Flüchtenden wurden aus den Klauen des “ bösen“ Kommunismus befreit. Da spielte es auch keine Rolle, ob die Flüchtenden „nur“ aus wirtschaftlichen Gründen abhauten (heutzutage ein absolutes No Go-„Alles Wirtschsftsflüchtlinge“) oder ob die Helfenden dies wg. des schnöden Mammons machten (heutzutage wûrde man von kriminellen Banden reden).