Da bin ich jetzt doch ein bisschen baff.
Ich mache derzeit eine Fortbildung im Projektmanagement, damit ich mich im Oktober als PM zertifzieren lassen kann. Bisher habe ich ja Projekte an Hochschulen gemanagt und möchte nun gern in die freie Wirtschaft wechseln. Da macht sich so eine Zertifizierung nicht schlecht.
Wovon ich aber eigentlich berichten wollte: Ich bin derzeit für ein Modul ausnahmsweise in Frankfurt/Main. Das heißt, dass ich mich hier erst mal wieder in neuen Teams einfinden muss. Mit einer Gruppe scheine ich großes Glück zu haben. Wir drei wurden zusammengesteckt, weil wir ab dem zweiten Modul nicht dabei sind. Ich, weil ich ja sonst in Stuttgart bin, bei den anderen beiden weiß ich nicht, warum. In den Gruppen bearbeiten wir Projekte, die entweder erfunden oder auch real sein können. In meiner ist es ein reales Projekt, nämlich jenes zur Integration von Geflüchteten in die duale Hochschulausbildung, welches ich zuletzt verantwortet habe.
Das heißt, ich trete als Auftraggeber auf und die anderen beiden (und eine weitere Person) erstellen Projektsteckbriefe, Phasenpläne etc. pp. Heute haben wir das Thema Interessenanalyse behandelt. Für die, die damit sonst nichts zu tun haben, kurz zusammengefasst: Als Projektmanager macht man sich bei der Planung Gedanken über das Projektumfeld.1 Man schaut sich also sachliche Faktoren an (dazu zählen etwa Gesetze und Verordnungen) und wirft einen Blick auf soziale Faktoren, also alles, was mit Menschen zu tun hat. Wenn man die Projektbeteiligten und auch -betroffenen identifiziert hat, schaut man sich an, welche Interessen sie haben, welche Interessen sie haben könnten, wie hoch ihr Einfluss ist und zum Beispiel auch, wie hoch die Konfliktwahrscheinlichkeit ist. Bei Stuttgart 21 waren solche Projektbetroffenen die Gegner des Bauprojekts. Als die sich irgendwann zusammengeschlossen haben, waren sie mächtig genug, um den Protest gut sichtbar auf die Straße zu bringen. Ab da wurde es – wir erinnern uns – hässlich.
In meinen Projekt sind solche Projektbeteiligten etwa der (leider nur politische) Projektleiter oder meine Kollegin und ich. Projektbetroffene sind in erster Linie die Geflüchteten, die sich für ein Studium bewerben. Hinzukommt auch noch die Sekretärin, die für die Geflüchteten verantwortlich ist. Zum Glück nicht mehr lange. Die Hexe ist nämlich nicht nur sehr allergisch gegen Arbeit, sondern auch noch:
Ja, ganz recht. Da steht: «rassistisch».
Da habe ich nicht schlecht gestaunt, als ich das las. Ich hatte zwischendurch einfach ein bisschen erzählt, wie die Frau zu den Geflüchteten steht und dass die nur deshalb bei uns gelandet ist, weil sie nur Stunk sucht, der Arbeit dafür aus dem Weg geht und der politische Projektleiter einfach mal nicht auf meine Warnungen gehört hat, sondern mit geschwollenen Eiern durch die Gegend gelaufen ist, weil jetzt noch eine Mitarbeiterin zu seiner Entourage gehört. Ohne groß rumzudiskutieren, wurde das in das Flipchart mit aufgenommen. «Rassistisch», nicht das mit den Eiern. Witzig war es auch noch, als es nach der Gruppenarbeit präsentiert wurde.
Was mir übrigens erst zurück in meinem Airbnb-Zimmer aufgefallen ist, mir aber auch sehr gefällt: In Zeile 1 steht «Geflüchtete». Am ersten Tag hatte ich von Geflüchteten gesprochen und einer aus der Gruppe hat direkt nachgefragt, ob das so korrekt sei, nutzte er doch den Begriff «Flüchtling». Ich habe dann erklärt, dass «Flüchtling» mit Abstrichen auch geht, ich aber den anderen Begriff bevorzuge, weil die Menschen ja schon angekommen und nicht mehr auf der Flucht sind. Außer vielleicht, wenn sie in Sucksen untergekommen sind …
Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten
Mit meiner Arbeitsgruppe hatte ich übrigens nicht so viel Glück. Da ich in meiner Gruppe ja der «Auftraggeber» bin, musste ich zur Bearbeitung eines Projekts in eine andere Gruppe wechseln. In der ist eine, die sich allen Ernstes darüber aufregte, dass das N-Wort nicht mehr verwendet werden dürfte. Ich weiß noch nicht mal, wie sie überhaupt auf die Pippi-Langstrumpf-Debatte kam, außer, dass irgendwie die Tochter einer Arbeitskollegin in die Kampagne involviert war. Neben dem Aspekt, dass sie out of the blue damit rausplatzte, regte mich besonders auf, dass sie und zwei andere darüber diskutierten, als ich daneben stand. Als wäre ich Luft. Da bin ich explodiert und habe der Truppe ein paar Takte erzählt; und als ausgerechnet SIE weiter rumquakte, habe ich sehr deutlich gesagt: «Recherchiert gefälligst selbst. Es ist nicht mein verdammter Job, euch kostenlos zu educaten!»
Ich vertrete zwar auch sonst sehr deutlich meine Meinung, war aber doch sehr überrascht, wie schnell und schonungslos ich dazwischengegangen bin. Vielleicht war ich aber auch immer noch in der sog. Storming-Phase.2 Die Dame hat mich nämlich schon seit gestern mit ihrem Verständnis zu Teamarbeit aufgeregt. EY!!
Nur am Rande sei erwähnt, dass sich eine Frau aus einer völlig anderen Gruppe lautstark über den Begriff «rassistisch» aufgeregt hat. Der sei ja wohl ganz schön hart. Als sie in der Pause dann auch noch argumentierte, dass Reichsbürger keine Rechten seien und der Maaßen nur deshalb so hart angegangen würde, weil er nicht auf einer Linie mit der Merkel wäre … Tja, wie soll ich sagen?
Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC