Sapperlot!
Mir scheint, wir kommen aus dieser verdammten „Was darf man heute eigentlich noch sagen?“-Diskussion ums Verrecken nicht mehr raus. Hatten neulich erst alle großen Printmedien sich der Mär der Meinungsunterdrückung gewidmet, legt die Wochenzeitung Die Zeit ohne jeden Anlass mit einer Referenz auf die unsägliche N-Kuss-Diskussion noch mal nach. Zur Bebilderung eines Artikels über die gegenwärtige Debattenkultur nutzt das Medium das Bild eines eingedrückten Schokokusses und fragt: „Wie war noch mal das korrekte Wort?“
Die Behauptung, dass die Menschen verunsichert seien, was sie noch sagen dürften, in Verbindung mit dem Bild suggeriert, dass es zig verschiedene Bezeichnungen gäbe, die Leute aber eigentlich nicht anders könnten, als sich andauernd falsch zu entscheiden, weil die Linken/die Gutmenschen/die politisch Korrekten immer draufhauen würden. Oder in den Worten der Zeit: „Unsere Debattenkultur ist elitär und schließt viele aus.“
Richtig ist allerdings: Wir führen diese N-Kuss-Debatte nur deshalb seit Jahrzehnten, weil sich viele Deutsche™ standhaft weigern, auf rassistische Begriffe wie „N-Kuss“ zu verzichten. Immerhin hat die Zeit mit der Aussage recht, dass bei solchen Debatten viele Menschen ausgeschlossen werden. Nur sind es in der Regel die von Rassismus Betroffenenen, die weder gehört noch respektiert werden.
Die Anknüpfung an das Thema funktioniert so reibungslos, dass die Zeit das N-Wort noch nicht einmal reproduzieren muss, um sich der Aufmerksamkeit gewiss zu sein. Wenn man das mit den Einlassungen der Medien in der – auch jüngeren – Vergangenheit vergleicht, scheint mir immerhin das neu zu sein. Aus Marketingsicht ist diese Bild-Text-Kombination ein geschickter Kniff. Die Zeit stellt die Frage und Menschen machen genau das, was sie meinen, eigentlich gar nicht mehr zu dürfen: Rassismus reproduzieren. Gegner einer rassistischen Sprache schreiben dagegen an. So wird der Link in den sozialen Medien fleißig rumgereicht. Allein auf der Facebook-Seite der Zeit gibt es zu dem Artikel nach nicht einmal dreieinhalb Stunden seit der heutigen Veröffentlichung schon fast 600 Kommentare.
Spannend wäre noch, worum es in dem Artikel eigentlich geht. Der steckt nämlich hinter einer Paywall. In der Wochenschau (50) wies Übermedien neulich schon auf eine Diskrepanz zwischen visueller Aufmachung der Deckblätter zum Thema Meinungsfreiheit (Alles schlimm!) und den tatsächlich verhandelten Inhalten (Oh, doch nicht!) im Inneren der Medien hin. Ich wäre also nicht überrascht, wenn das Bild im aktuellen Beispiel auch nur der puren Provokation wegen verwendet worden wäre.
Ich frage mich, wie stark die Redaktion bei der Themen- und Bildauswahl geschwitzt hat. Denn glaubt man den immer wiederkehrenden Debatten, ist der Großteil der Deutschen zutiefst verunsichert: Was darf man eigentlich noch?
Anscheinend alles. Und das immer wieder.
(via)
Screenshot: DIE ZEIT
Ich kann da auch nur mit der Stirn runzeln. Die Menschen wissen, dass es falsch ist und schwarze Menschen damit beleidigt werden und dennoch reagieren sie wie ein trotziges Kleinkind: „Früher durften wir das aber auch sagen!“ Früher war der N-Kuss genauso falsch und rassistisch wie heute, nur hat sich niemand darum geschert, weil es so gut wie kein Bewusstsein für Rassismus gab. Heute gibt mir das steigende Bewusstsein Hoffnung, dass der N-Kuss sowie andere rassistische Erscheinungen in den nächsten Generationen in Vergessenheit geraten werden.