Kennt ihr schon den?

Führende Vertreter von Regierung und Opposition haben die Ausschreitungen gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Heidenau bei Dresden scharf verurteilt „Jedem, der so handelt, treten wir mit der gesamten Härte des Rechtsstaates entgegen.“

Aber auch von den Asylbewerbern sei zu erwarten, dass sie Recht und Gesetz einhielten und sich nach den hier geltenden Regeln verhielten.

— Tagesschau

Oder den?

Bundesjustizminister Heiko Maas hat die Gewalt in Heidenau scharf verurteilt. „Wir dürfen niemals tolerieren, dass Menschen in unserem Land bedroht oder angegriffen werden. Dagegen müssen wir mit aller Härte des Rechtsstaates vorgehen“, erklärte der SPD-Politiker.

— MDR

Oder meinen Lieblingswitz?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière verurteilte in scharfen Worten die Angriffe gegen Flüchtlinge in Heidenau: „Diejenigen, die gegenüber Flüchtlingen, egal aus welchen Gründen sie nach Deutschland gekommen sind, Hass und Angst schüren und die Polizeibeamte angreifen und verletzen, stellen sich außerhalb unserer Wertegemeinschaft“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. „Die Vorgänge sind beschämend für unser Land und absolut inakzeptabel. Jeder Flüchtling der zu uns kommt, egal aus welchen Motiven, hat ein Recht darauf, sicher und vernünftig untergebracht zu werden.“

— Tagesspiegel

(Hervorhebungen von mir. Ich gebe zu, dass es mir in den Fingern juckte, im letzten Beispiel ausschließlich „Thomas de Maizière“ hervorzuheben.)

Ist euch was aufgefallen? Da wird überhaupt nichts scharf verurteilt. Um etwas, hier: die Angriffe von Nazis und Rassisten, scharf zu verurteilen, braucht es klare Worte. Dass wir etwas niemals tolerieren dürfen, ist ja eine tolle Info, aber eben auch nicht mehr. Wir wissen, glaube ich, alle, dass Gewalt gegen Menschen inakzeptabel ist. Wichtig ist aber, was am Ende bei rum kommt. Und da sieht es schon wieder ganz anders aus: Pegida, Legida, „Ermittlungspannen“ beim NSU, rassistische Hetze von CDU und Co, rassistische Übergriffe Tag für Tag, um nur mal ein paar Stichworte zu nennen. In Sachen Rassismus gibt es in Deutschland und ganz besonders Sachsen eine Politik des Wegschauens und Abstreitens. Entsprechend dünn sind auch Bekenntnisse von den meisten Politikern.

Würde sich ein Politiker tatsächlich klar positionieren wollen, dann könnte ein Satz kurz und knackig so aussehen: „Wir tolerieren keine Gewalt.“ Gern auch ein bisschen länger: „Wir tolerieren keine Gewalt gegen Schutzsuchende.“ Merkt ihr was? Das klingt ganz schön verbindlich, oder? Und kurz ist es auch noch. Der Satz ist so süß und knuffig, dass gleich noch ein paar weitere süße und knuffige Sätze daneben passen würden. Zum Beispiel: „Ich habe die Polizei angewiesen, dieses und jenes zu tun.“ Oder: „Ich entschuldige mich dafür, dass die Polizei nicht allein darauf gekommen ist.“ Oder: „Mit mir ist vernünftige Politik nicht möglich. Ich trete zurück.“ (Man wird ja wohl noch träumen dürfen!)

Solch kurzen Sätzen kannste aber auf Dauer nicht allein lassen. Die brauchen ja auch mal jemanden zum Spielen. Zum Beispiel: knackige, kritische Fragen. Vorzugsweise von Menschen, die mit knackigen, kritischen Fragen ihr Geld verdienen. Etwa — vielleicht ein bisschen abwegig — von Journalisten. Also jetzt nicht die alten, bräsigen, die sich da ganz gut eingerichtet haben. Ich stell‘ mir vor, wie so ein ganz Junger gaaaaanz hinten in der Ecke sitzt, sich meldet und dabei aufgeregt mit den Fingern schnippt und dann endlich drankommt: „Aha, Sie tolerieren also keine Gewalt? Was tun Sie denn konkret?“ Oder auch: „Was haben Sie bereits unternommen?“ Oder auch: „Warum sind die Nazihorden da immer noch unterwegs?“

Das können Politiker natürlich nicht wollen. Was soll denn zum Beispiel der Ulbig auf so eine Frage antworten, ohne wieder in bedeutungsloses Geseier abzudriften? Vielleicht so was hier: „Hm, keine Ahnung … Mein Redenschreiber hat gesagt, ich soll das sagen, weil’s schön klingt.“

Aber gut, neben Politikern, die nix sagen, haben wir ja noch ein weiteres Problem: Medien, die nichts Gescheites fragen bzw. Informationen nicht korrekt einordnen, ganz besonders wenn es um Themen wie Asyl, Rassismus und Rechtsextremismus geht. Was will man von Medien erwarten, die nicht im Stande oder willens sind, Dinge als das zu benennen, was sie sind?

Der MDR zum Beispiel in einem Interview: „Wir sehen ja auch immer wieder, dass da eigentlich brave Bürger mitmarschieren.“ Brave Bürger? Lieber MDR, das sind keine braven Bürger. Das sind Rassisten. Eklige, feige Rassisten. RAS-SIS-TEN! Probier’s mal, tut nicht weh.

Oder der hier, der ist auch gut: Asylgegner (@MDRaktuell). Neeehee, lieber MDR! Asylgegner zeigen keine Hitlergrüße und sie blockieren keine Straßen, um schutzbedürftige Menschen abzuwehren. Das sind Rassisten. Und Nazis. Daran ändert sich auch nichts, wenn du trotz verschiedener Hinweise auf Twitter stur weiter am Begriff „Asylgegner“ festhältst. Dasselbe gilt für Protest (@MDRinfo). Das waren Krawalle. *seufz*

Zwischenzeitlich sprach @MDRaktuell übrigens von „Angreifern“. War aber sicher nur ein Versehen.

Also ich bin ja für folgende neue Regel beim Bullshitbingo: Die Teilnahme ist immer nur mit einem Account erlaubt.

Nachtrag, 23.44 Uhr: „Erneute Gewalt — Randale zwischen Linken und vermutlich Rechten in Heidenau“ (u.a. Focus)

Hmmm …

Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC