Günter Wallraff hat ein Jahr lang am eigenen Leib getestet, wie es ist, als Schwarzer in Deutschland zu leben. In der Rolle eines Somaliers tingelte er durch die Lande. Kritiker bemängeln, dass er gar nicht wie ein richtiger Schwarzer aussehe. Schwarz auf weiß. Eine Reise durch Deutschland.
Alltagsrassismus und Ressentiments gegenüber Schwarzen suchte Enthüllungsjournalist Günter Wallraff. Und er fand sie. Schwarz angemalt und mit Afroperücke ausgestattet versuchte er bei einer Wandergruppe Kontakt zu knüpfen, eine Uhr zu kaufen oder eine Wohnung zu mieten. Seine Kunstfigur: Kwami Ogonno. Somalier. Asylant. Die Versuche, in der deutschen Gesellschaft Fuß zu fassen, wollen so recht nicht fruchten. Erleben muss Wallraff, was es heißt, als Schwarzer in der deutschen, durch Weißsein als Normalzustand geprägten Gesellschaft nicht akzeptiert zu werden, nicht willkommen zu sein.
Schon der simple Versuch, eine Uhr zu kaufen, zeigt vortrefflich, mit welchen Vourteilen Schwarze nur aufgrund ihrer Hautfarbe zu kämpfen haben. Ogonno darf die Uhr, für die er sich interessiert, nicht in der Hand halten. Denn man wisse bei solchen Menschen ja vorher nie, wie die Verkäuferin später schamlos erzählen wird. Dass der Schwarze die Uhr wohl stehlen könnte, weil er schwarz ist, sagt sie nicht offen. Jeder weiß aber, was gemeint ist. Auch eine Kölner Vermieterin findet, dass so einer wie Ogonno nicht reinpasse. Ganz schwarz sei der, «ganz schlimm». Und man könne ja nicht am Telefon schon hören, wie einer aussieht. Wäre das möglich, wäre klar, dass die Wohnung schon «vergeben» wäre, noch ehe sich Ogonno hätte vorstellen können.
Die hierbei hervortretenden Rassismen sind eher latenter Natur. Deutlich werden sie für gewöhnlich nur für den, der ihnen ausgesetzt ist. Oft kann der Betroffene aber nur ahnen, warum es mal wieder nicht mit einer Arbeitstelle geklappt hat, oder warum die Wohnung auf einmal vergeben war. Im Film werden die Rassismen greifbar, weil Wallraff nicht allein arbeitet, sondern weitere weiße Helfer mit Ogonno oder auch erst danach die Szene betreten. Wenn der Schwarze weg ist, die Deutschen, also Weißen, endlich unter sich sind, genieren sich die Rassisten nicht, zu erzählen, welche Probleme sie mit dem schwarzen Wallraff haben.
Die Mitarbeiterin eines Kleingartenvereins zum Beispiel übertreibt, um Ogonno schnell loszuwerden. Weil sie findet, dass solche Leute eine ganz andere Mentalität hätten, passten die überhaupt nicht in einen Verein. Da sei Ärger vorhersehbar. Welche Mentalität Ogonno habe, verrät sie nicht. Ein anderer Anwesender pflichtet aber bei, dass «die» ja nichts anbauten und auch nicht den Rasen mähten. Und wenn die dann mit Holz grillten, holten sie sich dieses wahrscheinlich vom Dach. Innerhalb kürzester Zeit werden die allerübelsten Klischees bedient. Nächste Woche wolle die Mitarbeiterin dann noch ein bisschen mehr übertreiben, damit er ja nicht auf die Idee komme, wirklich eine Parzelle zu mieten. Nicht einmal das Antragsformular will sie ihm aushändigen, weil das «geheim» sei. Sie krallt sich daran fest, als hinge ihr Leben davon ab.
Der Film löst Unwohlsein aus. Nicht nur weil sich die weißen Deutschen so hervorragend asozial verhalten, was prima in das Bild eines Rassisten passt, der zu dumm ist, zu lernen und sich vermeintlich anderen Kulturen zu öffnen. Übel wird einem auch durch Wallraffs Herangehensweise. Eine der ganz großen Schwächen des Films ist die Figur des Kwami Ogonnos. Die wirkt gelegentlich leicht schwachsinnig, mindestens jedoch naiv, wie sie beutelschwingend durch die Gegend läuft oder mehrfach versucht, Fußballfans bei einer Partie zwischen Dynamo Dresden und Energie Cottbus anzusprechen. Wallraff macht es jenen Deutschen, für die der Film eigentlich bestimmt sein sollte, sehr leicht, Rassismus als nicht existent oder wenigstens doch als Randphänomen abzutun.
Ogonno sehe doch gar nicht wie ein richtiger Schwarzer aus, ertönt es denn auch schnell als billige Ausrede, um sich bloß nicht mit dem Problem auseinanderzusetzen. Fiele er nicht so dubios auf, würde er herzlicher empfangen werden. Dass Deutschland auch heute noch Nichtweißen gegenüber rassistisch eingestellt ist, geht als Aussage sehr leicht unter. Dabei finden sich viele Beispiele, die das Gegenteil beweisen. Obwohl er nicht wie ein richtiger Schwarzer aussehe, wird er mit denselben rassistischen Ausgrenzungen konfrontiert, wie Schwarze sie täglich erleben.
Es bleiben Fragen. Warum hat Wallraff nicht einfach einen seiner schwarzen Freunde begleitet, die ihm nach eigener Aussage von ihren Erfahrungen berichteten? Warum muss Ogonno ausgerechnet ein Somalier sein, der sich nicht richtig verständigen kann? Kann ein Schwarzer nicht einfach auch ein Deutscher mit perfekten Deutschkenntnissen sein? Wären die Erfahrungen dann nicht genauso verheerend gewesen? Eine Antwort erhält der Zuschauer nicht. Mit den nur sehr wenigen einordnenden Stellungnahmen ist dafür zu wenig Platz.
Schwarz auf weiß. Eine Reise durch Deutschland auf Youtube anschauen.
Screenshot: Deutschland Schwarz auf Weiß
Super Rezension!!!!
Haettest Du denn Interesse, solch ein Projekt in Angriff zu nehmen zu einem Dokumentarfilm, wie es ist als schwarzer Deutscher in Deutschland zu leben? Oder als ein in Deutschland geborener Tuerke mit perfekten Deutschkenntnissen und deutscher Schulausbildung?
Ich kann Dir da sicherlich zu ein paar Kontakten verhelfen. Solche Projekte dauern aber 2-3 Jahre von Anfang bis Ende; und verdienen laesst sich damit nicht viel.
Grundsätzlich fände ich so was super toll, allerdings bin ich dafür nicht der Richtige. Das sollten die machen, die’s Filmen gelernt haben. :)
Endlich habe ich mir das auch mal komplett angeschaut :monkey:
Also ich muss schon sagen, es ist wirklich krass was für Erfahrungen er macht. Sätze wie „Du bist ja ein Neger“, oder „Vielleicht kann der ja nicht lesen“ zeigen, was für eine Verachtende Haltung viele haben. Am besten war „Frag doch mal den Schwarzen da, der sieht schon so lustig aus“ bei diesem Kleingarten-Kinderfest-Dingsbums. :doubt:
Bezüglich Wohnungssuche hat eine sehr gute Freundin die einen Äthiopier geheiratet hat und dessen Nachnamen angenommen hat ebenfalls schlechte Erfahrungen gemacht — allerdings schon am Telefon bei Nennung des Namens!
Allerdings muss ich ebenfalls Kritik an dem Film üben: Meiner Meinung nach hat Wallraff Orte aufgesucht, die zur ur-konservativen Bevölkerungsgruppe Deutschlands gehört: Kleingartenverein, Schäferhund-Verein, dubiose Keller-Kneipen, Camping-Platz, Wandergruppe für Rentner etc. Die picken sich schon unter den deutschen nur die Rosinen heraus oder mobben sie schnellstmöglich aus dem Verein, wenns nicht passt.
Ich frage mich, ob es bei einem Fussball-Spiel in Stuttgart, München, Frankfurt oder sonst wo ebenso eine widerliche Ablehnung erfahren hätte wie in Dresden. Und dass die Bayern in Fragen Jagd und Ausländer generell nicht loyal sind, ist auch nicht neu.
Es hätte schon gereicht, wenn er als Afro-Deutscher ohne Akzent und klischeehafte Klamotten aufgetreten wäre.
Aber grundsätzlich zeigt der Film tatsächlich die Antipathie, die Vorurteile, den Mißfallen und die Feindseligkeit die Wallraff in alltäglichen Belangen begegnet.
Leider aber auch nur diese negativen Szenen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in dem gesamten Jahr nie positive Erlebnisse hatte. In der einen Kneipe war ein Hauch davon zu spüren, bevor er von irgendwelchen Alki-Schläger-Typen dumm angemacht wird.
Ganz stimme ich nicht zu. Da waren schon mehrere positive Beispiele. Zum Beispiel die Polizistin, die den einen Assi im Zug angemault hat, dass sie Wallraff da endlich durchlassen solle. Oder auch — was ich auch toll fand –, als die eine alte Frau ohne pampig oder herablassend zu werden, erklärt hat, dass Angeln da wohl nicht erlaubt sei, er sie aber einladen müsse, wenn er was fängt. Das ist ja auch nicht selbstverständlich. Vielmehr benehmen sich die Leute wie das Arschgesicht auf dem Boot. Und dann das Beispiel ausgerechnet in Brandenburg: Zwar kam da auch wieder die Tendenz zum Vorschein, dass es ja nicht sein kann, wenn Schwarze so gut Deutsch können, und der Chef hat gleich überlegt, wie man vom Staat Geld erhalten kann. Aber weder wurden die beiden zur Sau gemacht noch zum Teufel gejagt. Der hat sich vernünftig mit denen unterhalten. Das sollte eigtl. selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Deshalb sehe ich das auch als gutes Beispiel an. Toll fand ich auch die Frau, die Wallraff angebaggert hat. Sie hat gelächelt, als er ihr Blumen schenkte, und den Typen neben sich hat sie auch Paroli geliefert («Aber mich kennste doch auch nicht!»)
Ich glaube — und hoffe, dass ich mir das nicht nur einbilde –, dass die Ablehnung in anderen Städten nicht so groß wäre. Der ostdeutsche Fußball ist ja jetzt nun nich gerade von hohem Niveau geprägt, so was zieht ja eher die geistig Umnachteten an, zumal Vereine kritisieren, dass sie kein oder nur ungenügend Geld für Fanbetreuer hätten, die solche Tendenzen auffangen könnten. Dass wir so wenige Ausländer im Osten haben, und damit weniger Erfahrungen, sind die Ressentiments natürlich auch noch größer.
Solche Diskriminierungserfahrungen wie die deiner Freundin mit äthiopischem Namen passieren in der Tat sehr oft, leider fallen die kaum auf, weil sie ja erstens nur wenig greifbar sind und zweitens die weiße Mehrheitsgesellschaft den Diskurs bestimmt. Ging neulich erst wieder so in einem Blog eines Journalisten (!!!), in dem man sich mal wieder darüber echauffierte, dass «Neger» doch überhaupt kein Schimpfwort sei. Auf meinen Hinweis, dass das sehr wohl ein Schimpfwort ist, zumal mit dem Wort rassistische Stereotype verbunden sind, und meiner genervten Antwort auf die Behauptung, weiße Moralapostel würden Schwarzen einreden, dass solche Wörter rassistisch seien, schrieb der Herr Journalist (Multiplikator!!), dass ich nicht die moralische Hoheit hätte, jemanden des Rassimus zu beschuldigen. Nicht nur verbietet er mir, mich am Diskurs zu beteiligen. Er packt gleich die ganz große Keule aus. Und die wird ganz oft gezückt, wenn man sich — zumal als Betroffener — erlaubt, auf die Problematik eines Begriffs hinzuweisen. Insb. weil ich ja zu den Leuten gehöre, die wirklich die Zeit nehmen, Erklärungen zu liefern, sehe ich so was als niveauloses Foul an. Zu solchem Diskussionsverhalten schreib ich demnächst mal einen Artikel.
Ja hast schon recht, es gab schon mehrere positive Beispiele im Film. Der zweite Uhrekauf war ja scheinbar auch erfolgreich, und das lag (hoffentlich nicht nur!!) am Anzug (Kleider machen halt auch schwarze Leute ;) )
In Sachen Fussball habe ich ehrlich gesagt keine Ahnung. Aber bis auf die typischen Hooligan-Aktionen dachte ich schon, dass es da brüderlicher zu geht. Es wäre zumindest interessant gewesen, ob die selbe Ablehnung auch bei anderen Spielen herrscht oder nicht.
Ich werde selber bald afrikanischen Besuch haben und dann die Reaktionen miterleben (ich schleppe ihn mit in den Hundeverein :-! )
Über afrikanische/schwarze Freunde die in Deutschland leben habe ich ehrlich gesagt wenig Ablehnung erfahren (also durch ihre Berichte). Einer, der wurde tatsächlich bei der Arbeit gemobbt (allerdings nicht von Deutschen..). Jetzt hat er einen anderen Job und hat dort auch keine Probleme mehr.
Aber da liegen sicherlich Unterschiede zwischen Stadt und Land, und eben auch manchen Bundesländern..
Ich glaub, das liegt auch daran, dass sich Verkäufer in so einem schicken Laden zu benehmen wissen. Selbst wenn sie etwas gegen ihn haben, werden sie sich i.d.R. nicht so beschissen benehmen wie die Tante in dem anderen Laden. Deshalb glaube ich, dass es wirklich darauf ankommt, wo und mit welcher Klientel man zusammenkommt. Nicht umsonst will ich unbedingt wieder aus dem Osten weg. :(
Ali, ist aus Deiner persoenlichen Sicht, „Neger“ eigentlich ein Schimpfwort? Ich meine, wenn dieses Wort gebraucht wird, um die Hautfarbe zu beschreiben?
Ich weiss, „Neger“ ist heutzutage politisch nicht korrekt; man hat „Afrikaner“ zu verwenden. Aber was ist denn dazu Deine Meinung als schwarzer Deutscher?
Hier in Uganda muss ich mir tausend mal am Tage anhoeren, dass ich eine „Mzungu“ bin, was „eine Weisse“ heisst… und das ist ganz sicher KEIN Schimpfwort..
Auch habe ich von vielen Ugandern gehoert, nachdem sie nach einem Besuch aus Deutschland zurueckgekommen sind, dass deren unangenehmste Erinnerung war, dass man „wie Luft“ behandelt wuerde und dass jeder versuche den Eindruck zu vermitteln, dass man die Hautfarbe nicht bemerkt (was hier in Uganda jedoch eine ganz, ganz grosse Rolle spielt!).
Ich führe derzeit wieder mal ein paar fruchtlose Diskussionen zu dem Thema. «Neger» ist ein Schimpfwort ist ein Schimpfwort ist ein Schimpfwort. Unabhängig davon, ob der Sprecher es jetzt so meint oder nicht. Aufgrund seiner Begriffsgeschichte ist das Wort sehr stark negativ konnotiert. Wenn die Hautfarbe beschrieben werden soll, dann bricht ja wohl keinem ein Zacken aus der Krone, «schwarz» zu sagen. Ich nenne eine weiße Person auch «weiß» und nicht «Kalkfresse».
Zu dem Thema werde ich demnächst eh einen eigenen Artikel verfassen.
Und zum Wort Mzungu: Von meinem kenianischen Swahili-Dozenten weiß ich, dass das Wort sogar so positiv belegt war (ist?), dass es gar als Adjektiv zur Beschreibung von schönen Dingen verwendet wurde.
Das hat immer alles mit der Begriffsgeschichte in der jeweiligen Gesellschaft zu tun. Und die für «Neger» ist nicht schön.
Ich finde das Blackfacing auch hier abstoßend. Du sprichst es im Artikel an, er hätte auch mit einem schwarzen Freund durch’s Land hätte ziehen können, da wären ähnliche Dinge bei rumgekommen (zur Not mit versteckter Kamera, er nur als Beobachter von Ferne, wie auch immer, das hätte man regeln können).
So benutzt er eine rassistische Tradition und wie bei anderen seiner journalistischen „Ausflüge“ bleibt der schale Nachgeschmack, dass er als reicher, weißer Mann halt dann einfach die „Verkleidungen“ ablegen und in sein privilegiertes Leben zurückkehren kann. Und mit diesen Eskapaden auch noch Geld verdient. Das ist vielleicht noch grade okay, wenn er undercover in der Fabrik arbeitet (wobei halt auch hier Armutstourismus, Klassismus und so) aber das Blackfacing ist schon echt hart.