Genau wie das Fensterln in Bayern scheint auch das nicht verstehen wollen bei den Medien eine fragwürdige Tradition zu haben, sobald es um Kritik an Sexismus und anderen Diskriminierungsformen geht.
Wir erinnern uns: An der Uni Passau wollte eine Vereinigung von Sportstudenten einen Fensterln-Wettbewerb austragen, bei dem Männer Hinternisse überwinden müssen, um zu ihrer Liebsten zu gelangen. Es fielen Begriffe wie „Holz vor der Hüttn“ und „nageln“. Weil nur Männer antreten durften, sagte die Gleichstellungsbeauftragte der Uni: „So geht’s aber nicht!“, und man vereinbarte, denn Wettbewerb für alle zu öffnen. Die Organisatoren sagten erst zu und dann den Wettbewerb ab, denn:
Wenn ich jetzt anfange, Männer auf den Balkon zu stellen und Frauen über die Leiter zu schicken, für so ein Spiel meldet sich doch niemand.
(Quelle)
Und was machen die Medien daraus? Ein Verrrbot! Jawoll!
Bayerischer Rundfunk: „Fensterln verboten“
Focus: „Doch die Gaudi hatte ein Ende, bevor sie begann. Denn: Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Passau sah einen Verstoß gegen das Gesetz.“
Nordbayern.de: „‚Gender-Wahnsinn‘: Passauer Studenten dürfen nicht fensterln“
Spiegel Online: „Gleichstellung in Passau: Sportstudenten dürfen nicht fensterln“
Unser Radio: „Uni verbietet Fensterln“
Main-Post: „Die Dame – an der Uni für die Gleichberechtigung von Mann und Frau zuständig – verhinderte, dass Studenten einen Wettbewerb im Fensterln austragen.“
N24: „Niko Schilling wollte diesen Gaudi-Fensterl-Wettbewerb beim Campusfest der Uni Passau abhalten, doch die Universität hat dem ganzen einen Riegel vorgeschoben.“
NDR: „Die Studenten sagten das Ereignis ab, mit der Begründung, dass traditionell eben nur Männer fensterln. Im Netz läuft seither eine heftige Gender-Debatte.“ Und der NDR mischt kräftig mit, u.a. indem er Beauftragen unterstellt, keine Träume zu haben, sondern einfallslose und überflüssige Karrieristen zu sein:
Feuerwehrmann, Tierärztin, Rennfahrer oder am besten gleich Astronaut – für Kinder ist die Arbeitswelt vor allem ein großes Abenteuer. Irgendwann werden die Kleinen leider erwachsen und das heißt dann meistens: die Wünsche schleifen sich ab und ödes Nutzdenken hält Einzug. Statt auf den Traumberuf setzen sie lieber auf Karriere. Wer die ganz sichere Karte spielen will, wird am besten Beauftragter für was auch immer: Datenschutz, Integration und Migration, Kinder, Ernährung oder eben Gleichstellung. Der Bedarf ist offenbar riesig. Besonders talentiert sind Beauftragte im Entdecken von Problemen und Missständen, die außer ihnen kaum einer sieht.
Daneben: Es geht nicht darum, dass Frauen fensterln sollen, sondern könnten, wenn sie wollten.
The European: „Fensterl-Gate in Passau: Wenn Frauen nicht fensterln dürfen, dann sollen es Männer auch nicht dürfen. Willkommen in der gendersensiblen Welt von heute!“
TZ (ein bisschen außer der Reihe): „Der umstrittene Wettkampf in Passau wurde übrigens abgesagt – wegen schlechten Wetters …“ Nope. Wurde er nicht. Der Wettbewerb wurde wegen bockiger Studenten abgesagt. Ausgefallen sind dagegen die Campus Games, in deren Rahmen das Fensterln hätte stattfinden sollen, wenn es nicht, nun ja, vorher abgesagt worden wäre.
Die Presse: „Die feige Ausrede der Studenten entlarvte die Gleichstellungsbeauftragte scharfsinnig als reaktionär-patriarchalisches Konstrukt zur Knechtung der Frau und verhinderte die Veranstaltung gleichsam in letzter Sekunde.“ Die Presse schlägt in dieselbe Kerbe wie der NDR, denn:
Am tollsten finde ich die örtlichen Verdächtigen.
Passauer Neue Presse: „Uni Passau ‚verbietet‘ fensterln — Frauen ‚zum Objekt degradiert'“ (ja, ganz recht: „verbietet“)
Bürgerblick: „‚Fensterln‘ beim Passauer Uni-Fest verboten“
Und also Bonus obendrauf:
Passauer Neue Presse: „Fensterln-Streit an Passauer Uni: Jetzt spricht Horst Seehofer“
In dem Bericht werden drei Politiker genannt, davon nur eine Frau, wenngleich sie den größten Anteil bekommt. Aber sie ist ja schließlich auch dafür.
Jetzt am Wochenende hatte sich auch der Sonntags-Stammtisch des BR mit Helmut Markwort des Themas angenommen. Markwort in einer Runde von fünf alten weißen Männern: „Wir sind uns ja alle einig, dass die Geschichte in Passau lächerlich ist, dass die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Passau sagt: ‚Ihr dürft da keinen Fensterl-Wettbewerb machen beim Studentensportfest, das ist altmodisch‘ und so weiter.“ Auch hier: Nö. Hat sie gar nicht.
(Josef Brustmann, Kabarettist und Musiker singt dazu etwas auf Bayerisch, das ich nicht verstehe, was von Markwort aber als „Ärger der Woche“ interpretiert wird. Vielleicht kann mir ein vereidigter Übersetzer helfen. *hihi*)
Und um einfach mal das Klima in Bayern zu verdeutlichen, in dem solche Diskussionen geführt werden: In derselben Sendung sagte Erwin Huber:
Ich glaube, dass diese Frauenbauftragte ihrer sinnvollen Sache einen furchtbar schlechten Dienst erwiesen hat. Deshalb würde ich die halt nur irgendwo in den Reinigungsdienst versetzen.
Für diese Herabsetzung müsste man dem Eumel den Arsch aufreißen. Nicht so beim Journalisten-Imitator Markwort.
Helmut Markwort (lachend): „Jawoll, das ist auch nützlich.“
Josef Brustmann (lachend): „Das ist wirklich frauenfeindlich.“
Erwin Huber (lachend): „Ich bin der Frauenversteher darin.“
Merke: Wenn gefordert wird, einen Wettbewerb auch für Frauen (und gleichgeschlechtliche Paare) zu öffnen, dann ist das eigentlich ein Verbot männlicher Aktivitäten. Irgendwie schaffen es einige Medien zwar doch zu erklären, dass die Organisatoren selbst die Veranstaltung abgesagt hätten, es wird aber fröhlich der Eindruck erweckt, dass die Studenten gar nicht anders konnten. Gender-Wahnsinn. Sie kennen das.
Aber dieses Thema wäre kein trollbares, wenn es da nicht jemanden gäbe, der die Herausforderung annehmen würde, das Niveau — sei es auch noch so niedrig — weiter nach unten zu prügeln. Der RCDS und der militante Flügel der JU (Niederbayern) haben eine gemeinsame Presseerklärung zur „Gender-Problematik“ veröffentlicht. Übersetzen könnte man die mit den drei (bayerischen) Verwaltungsgrundsätzen:
- Das haben wir schon immer so gemacht!
- Da könnte ja jeder kommen!
- Wo kommen wir denn da hin?
Konkret sprechen zwei Männer (!) darüber, dass die Gleichstellungsbeauftragte abfällig mit bayerischem Brauchtum umgehen und das bayerische Lebensgefühl in den Schmutz ziehen würde. Dies wäre „eine Schande für unsere Heimat“. Der Beauftragten wird nahegelegt, sich eine Arbeit „oberhalb des Weißwurstäquators“, also außerhalb Bayerns, zu suchen. So schnell gehört man offenbar nicht mehr dazu. Und da wundern wir uns über die Mitte-Studien.
Für die Tapferen: Hier geht’s Stellungnahme.
(Zuletzt aktualisiert am 25. Mai.)
Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC