Nun also das $randomkid Luisa. Vor einiger Zeit hatte ich ja schon mal eine knuffige Begegnung angedeutet. Hier ist sie endlich mal runtergeschrieben.

Ich hatte bei Rewe gerade an der Kasse bezahlt und wollte meine Einkäufe einräumen, als pfeilschnell ein kleines Kind an mir vorbeihuschte und an der Stelle rumwuselte, wo man halt so seine Einkäufe einräumt. Als ich sagte, dass ich ein kleines bisschen Platz bräuchte, fing das Kind sofort zu plappern an. Und es plapperte und plapperte und plapperte …

Sie: „Kannst du mich mal da hochheben?“
Ich (etwas zögerlich): „Klar.“
Sie: „Ich habe mir nämlich den Arm gebrochen.“
Ich: „Na, das ist ja ein Ding!“
Sie: „Hast du dir auch schon mal was gebrochen?“
Ich: „Ja, mein Bein.“
Sie: „Warst du da auch so alt wie ich?“
Ich: „Wie alt bist du denn?“
Sie: „Fünf!“
Ich: „Ja, ich war da in etwa auch so alt.“
[…]
Sie: „Hast du auch eine Tochter?“
Ich: „Nein, noch nicht.“
Sie: „Warum nicht?“
[…] (Wo ist der „Es ist kompliziert“-Status, wenn man ihn mal braucht?)

Dass das Kind Luisa heißt, habe ich übrigens erst am Ende erfahren, als ich nämlich zum Ausgang ging und das $randomkid mir hinterherstürmte. Da rief nämlich die Mutter des Kindes: „LU-I-SA!“ Darauf das Kind äußerst niedlich und unschuldig: „Iiiich guck nur, Mama!“

Und was macht die Erfahrung für mich jetzt so wertvoll? Dass die Mutter nicht versucht hat, den Kontakt zwischen ihrem Kind und mir zu unterbinden. Die Mutter ist nämlich — wie überhaupt niemand hier bisher — nicht sofort dazwischengegangen, als das mehrheitsdeutsche Kind anfing, Kontakt zum schwarzen Mann aufzunehmen. Aus Leipzig und auch Erfurt kenne ich das ganz anders. Da ist es nach meiner Erfahrung der Normalfall, das Eltern panisch oder extrem abweisend reagieren, wenn mein Weg den eines Kindes kreuzt.

Etwa im Clarapark, als ein schwarzer Bekannter (Arzt) und ich (Akademiker) gerade das Glashaus verließen, während von einer Seite Spießervater, Spießermutter und Kind kamen. Das Kind, nennen wir es Helene, fuhr auf einem Dreirad und war relativ schnell. Sobald der Vater uns zwei erblickte, bellte er mit demonstrativen Blick zu uns sein Kind an: „Helene, STOPP!“ Danach wartete er, bis ein riesiger Sicherheitsabstand zwischen uns und der Familie entstanden war, und bellte noch lauter und demonstrativer: „Helene, JETZT darfst du weiterfahren!“

Zufall, möchte man meinen, wären da nicht die vielen, vielen anderen Beispiele, die ich stets und ständig in Leipzig erdulden musste. Eltern etwa, die ihr Kind zur Seite reißen, wenn ich die Familie passiere. Oder solche, die ihr Kind anschreien: „DA NICHT!“, wenn das Kind auf einem der wie so oft leeren Vierersitze neben mir oder gegenüber Platz nehmen will, und dann mit ihm demonstrativ bis ganz nach hinten durchlaufen.

Oder der Vater in Erfurt, als ich mit meiner damaligen Freundin und ihrem schwarzen Kind auf dem Spielplatz war. Lisa fing ganz schüchtern an, Kontakt mit einem weißen Jungen aufzunehmen. Der schien ebenso wenig abgeneigt zu sein, aber so richtig wollte das mit den beiden Kindern nicht klappen. Also ging ich zu Lisa und schlug ihr vor: „Hey, geh‘ doch mal hin und frage den Jungen nach seinem Namen. Der beißt bestimmt nicht!“

Allerdings hatte ich nicht mit der Reaktion des vermeintlichen Vaters gerechnet, der bisher nicht als Bezugsperson in Erscheinung getreten war. Der stand auf einmal auf und unterband den Kontakt. Das tat er, indem er seinen Arm zwischen den Jungen auf der einen und Lisa und mir auf der anderen Seite stemmte und uns den Rücken zudrehte. Dabei sprach er — auch so eine typische Marotte im Umgang mit schwarzen Menschen — kein einziges Wort.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Verhalten auf Lisas Seele, damals gerade älter als zwei Jahre, Kratzer hinterlassen hat. Für den Jungen, der schon älter war, dürfte die Erfahrung noch eindrücklicher gewesen sein. Er dürfte nämlich zwei ganz wichtige Dinge gelernt haben: Zum einen, dass Kontakt zu schwarzen Menschen zu vermeiden ist. Und zum anderen, dass es okay ist, sie schlecht zu behandeln.

Was bin ich froh, da nicht mehr zu wohnen.

Bild: Romtomtom, CC-BY