Okay, jetzt habe ich endlich ein bisschen Zeit, einen Nachtrag zur Filmvorführung ID without colors und Diskussion zum Thema Racial Profiling zu schreiben.
Ich habe mich riesig gefreut, dass so viele der Einladung des Interkulturellen Konversationscafés gefolgt waren. Der Raum war voll. Allein dies ist schon ein Erfolg, wie auch Daniel Bartel vom ADB Sachsen während der Diskussion erzählte. Noch vor fünf Jahren war es nicht so einfach, Menschen für das Thema zu mobilisieren. Dies wie auch die häufigere Behandlung von Racial Profiling in den Medien ist ein Ausweis dafür, dass das Thema zunehmend Interesse weckt.
Der Film ID without colors illustriert Racial Profiling in der deutschen Hauptstadt und streift dabei auch die Auswirkungen, die das rassistische Verhalten der Polizei auf die ausgegrenzten Menschen hat. Da wird etwa der Fall von Migranten geschildert, die von Polizisten zusammengeschlagen werden und die, obwohl ein Zeuge den Übergriff gefilmt hat, nichts von einer Anzeige gegen die Polizei wissen wollen. Für die, erzählt eine Sozialarbeiterin, seien die Jugendlichen sowieso nur die Täter, egal was sie machen. Dass es überhaupt soweit kommen kann, liegt an einer Abschottungspolitik bei der Polizei. Das bedeutet, dass die Reihen der Polizei normalerweise auch dann fest geschlossen sind, wenn Beamten (übermäßige) Gewalt ausüben. Rückhalt erfahren sie dabei sehr oft von Staatsanwaltschaften und Gerichten.
Die Veranstaltung fiel zufällig mit dem neuerlichen Urteil des BGH im Todesfall Oury Jalloh1 zusammen. Der Asylbewerber war 2005 nach seiner Festnahme in einer Zelle der Polizei Dessau verbrannt worden. Trotz Vertuschung und Lenkung der Ermittlungen in einer gewünschte Richtung durch die Polizei (u.a. kollektiver Gedächtnisverlust, verschwundene Asservate, zufälliges Abbrechen der Videodokumentation der Ermittlungen in der Zelle an einer entscheidenden Stelle), trotz polizeigefälliger Arbeit durch die Staatsanwaltschaften (z.B. sehr enge Fassung eines Brandgutachtens, das nicht das Geschehen rekonstruieren, sondern nur herausfinden sollte, ob es rein theoretisch möglich wäre, eine Matratze im gefesselten Zustand zu entzünden) und trotz Nichtbeachtung vorgenannter Unregelmäßigkeiten durch die Gerichte, entschied der BGH, dass das letzte Urteil des LG Magdeburg Bestand hat, also zurecht ein (!) Polizeibeamter mit einer Strafe in Höhe von 10.800 Euro belegt wurde. Obwohl all die Vertuschungen und Vertuschungsversuche nicht gewürdigt wurden, geht der BGH davon aus, dass die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei sei.
Der Tod des Oury Jalloh ist ein besonders krasser Fall von Racial Profiling, beschreibt dieses Instrument eben nicht nur die diskriminierende Verwendung von Zuschreibungen wie ethnische Zugehörigkeit als Grundlage rassistischen Handelns (selektive Polizeikontrollen, die auf illegalisierte Menschen abzielen), sondern auch die gewalttätigen Folgen, die sich nicht nur hinter verschlossenen Polizeitüren abspielen. Eine der in der Diskussion behandelten Fragen war, was man als Zeuge von Diskriminierungen durch die Polizei tun kann. Da Ausgegrenzte durch die (ständige) Schlechterbehandlung oft nicht in der Lage sind, adäquat zu reagieren, ist Support wohl am wichtigsten. Hier eine kleine Auswahl:
- Wenn die Beamten z.B. im Zug nur nichtweiße Personen kontrollieren, kann man zu ihnen gehen und sie fragen, ob sie einen nicht auch gleich noch kontrollieren wollen.
- Wenn Beamte durch Schlechterbehandlung Nichtweißer auffallen (z.B. permanentes Duzen, unfreundliches Auftreten), kann es helfen, sie daran zu erinnern, mit der Person respektvoll umzugehen.
- Den Betroffenen kann es auch helfen, wenn man Hilfsangebote artikuliert. Die könnten etwa so lauten: „Sind sie in Schwierigkeiten?“ / „Benötigen Sie Hilfe?“ / „Wollen Sie sich meine Kontaktdaten notieren, falls Sie Anzeige erstatten wollen?“
- Gut ist es, den Vorfall zu notieren und sich direkt bei der Polizei zu beschweren. Hierzu gibt es ein Dokument, das an die Bundespolizei gerichtet ist. Der Adressat kann aber gern geändert werden. Daneben können zusätzlich mit Rassismus und Diskriminierung betraute Institutionen informiert werden, z.B. das Antidiskriminierungsbüro Sachsen oder die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt.
Es irritiert die Polizei, wenn sich Menschen einmischen. Bis heute ist sie es nicht gewöhnt, Zweifel an ihrer Arbeit zu akzeptieren, was sich beispielhaft an den Widerständen zeigt, wenn die Forderung nach Einrichtung unabhängiger Kontrollgremien geäußert wird. Als mein Freund Yanick bei einer Zugfahrt rechtswidrig kontrolliert wurde, waren die beteiligten Beamten von der Einmischung durch andere Fahrgäste so verunsichert, dass sie ihn nicht wie angekündigt in Trier aus dem Zug entfernten, nachdem er sich weigerte, sich auszuweisen. Stattdessen verkrochen sie sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Zug. Dabei hatten die Zeugen kaum mehr gemacht, als zu artikulieren, dass es immer nur „die Ausländer“ erwische.
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Monitor (2014): Kontrolle nach Hautfarbe. Wie der Staat Minderheiten schikaniert
Anke Schwarzer (2014): Racial Profiling. Kontrollen jenseits des Rechts
DIMR (2013): Menschenrechtswidrige Kontrollen nach §22(1a) BPolG
Trollbar (2012): Ritualisierte Demütigung
ARD (2006): Tod in der Zelle — Warum starb Oury Jalloh
Bild: Bundespolizei