Im letzten Beitrag über meine Erfahrungen in Mannem hatte ich ja geschrieben, dass ich im nächsten, also hier und jetzt, über ein kleines, weißes, mir vollkommen unbekanntes Kind schreiben würde. Doch das $randomkid muss warten! Ich war nämlich in Leipzig. *grusel grusel*
Zurzeit findet die Veranstaltungsreihe Auf gute Nachbarschaft statt, die 2012 ins Leben gerufen wurde, als Leipziger mit rassistischen Dauerausfällen von sich Reden machten. Diese gingen auf die Barrikaden, sobald sie erfuhren, dass in ihrer Nachbarschaft Ausländer leben sollten. Die Proteste™ schwelen bis heute und flammen zuverlässig dann auf, wenn ein neuer Standort für eine Asylunterkunft bekanntgegeben wird. Ziel der Veranstaltungsreihe ist es daher, ein Kennenlernen von Anwohnern und Flüchtlingen und damit den Abbau von Vorurteilen zu ermöglichen.
Vergangene Woche wurde der Film Can’t be silent vorgeführt. Der Film berichtet über Flüchtlinge, die als Musiker auf Tournee gehen und dabei nicht nur mit der Residenzpflicht zu kämpfen haben. Zur Vorführung und der sich anschließenden Diskussion waren u.a. Nhi und ich als Diskutanten geladen. (Nicht, dass ihr noch denkt, ich hätte Sehnsucht nach Leipzig.) Nun war ich also ein paar Tage in meiner alten Heimat und konnte mir wieder einen hervorragenden Einblick in die achso weltoffene Metropole verschaffen.
Ähm ja … Mit welch‘ zugekniffenen Ärschen die da rumlaufen, konnte ich gleich am Leipziger Flughafen spüren, wo ich aufgrund des Streiks strandete. Da die S-Bahn nicht fuhr, wurde ein Notbus eingerichtet, von dem ich nicht wusste, wo er startet. Also fragte ich — mein Fehler! — eine Mitarbeiterin am Flughafen:
Ich: „Guten Tag.“
MA: … *anstarr*
Ich: „Hier soll irgendwo ein Notbus starten. Wo finde ich den denn?“
MA: „Unten.“
Ich: „Kann ich dort runter?“
MA: „Nein!“
Ich: „Weil?“
MA: „Nur für Mitarbeiter!“
Ich: „Und wo kann ich lang?“
MA: „Da!“
Ich: „Wo?“
MA: *fingerzeig*
Ich: „Danke. Tschüss.“
MA: …
Wie für Leipzig typisch musste ich dem Servicepersonal wieder alle Informationen aus der Nase ziehen, weil man dort ständig darum bemüht ist, den Kontakt zu mir auf ein Minimum zu beschränken. In Mannheim wäre mir das nicht passiert. Hier krieg‘ ich grundsätzlich Auskunft (und eine ausführliche Erläuterung der Quadrate! /o\), und wenn mal jemand nicht so genau Bescheid weiß, dann teilt man mir das höflich mit und erklärt oft auch, wo ich weitere Informationen kriegen kann. Völlig unaufgeregt. Wirklich nichts in der Kommunikation ist darauf ausgelegt, den anscheinend schier unerträglichen Kontakt zu einer schwarzen Person schnellstens zu unterbinden.
Einen draufgesetzt hatte noch die Trulla in Leipzig-Mockau, die total schockiert war, als ich es wagte sie anzusprechen und nach dem Weg zum Brockhausgymnasium, dem Veranstaltungsort, zu fragen. Weil auch sie nichts mit mir zu tun haben wollte, hatte sie nur unbestimmt und hektisch in eine Richtung gezeigt. Als ich noch mal genau nachfragte und auf eine bestimmte Straße zeigte, antwortete sie nur karg mit einem „Ja!“, und stürmte davon. Wie sich rausstellte, war das gelogen. In Leipzig ist mir das schon oft passiert. Derailer antworten an dieser Stelle übrigens oft: „DAS kann doch gar nicht sein. Als Leipziger musst du überhaupt nicht nach dem Weg fragen!1!“ Ja, nee, is‘ klar.
Der Vergleich macht sehr gut deutlich, welche Auswirkungen es auf die Kommunikation und das Verhalten der Menschen hat, wenn sie regelmäßig(er)en Kontakt mit nichtweißen bzw. schwarzen Menschen hatten und haben. In Leipzig (der *hust* „seit 1000 Jahren weltoffenen Stadt“) ist der praktisch null. Mir fiel das auch auf, weil ich ein paar Flyer für das anstehende ISD-Bundestreffen mit nach Leipzig nahm, um sie den lokalen ISDlern und Schwarzen, die mir auf der Straße begegnen, zu geben. Am Ende bekamen meine Freunde mehr Flyer als gedacht. Denn in den vier Tagen Leipzig habe ich keine einzige mir nicht bekannte schwarze Person gesehen. Im Osten bist du praktisch schneeblind.
Demnächst schreibe ich noch über eine rassistische Bedienung im Leipziger Irish Pub Killywilly und erkläre die Disziplin des Syncron-Handtaschenretten. Zuvor kommt aber auf jeden Fall das $randomkid. Versprochen!
Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC
[Gelöscht.]
Ich vermute dieser ganze Kommentar ist ein Derailing Musterbeispiel?
[Stümmt. /Ali]
[Triggerwarnung: Mehrere rassistische Begriffe. /Ali]
Lieber Ali Schwarzer,
schön, dass es dir in deiner neuen Wahlheimat besser ergeht – es ist so wichtig, sich in seinem Lebensumfeld wohl und sicher zu fühlen. Auf eine schöne Zeit in Mannheim!
Ich selbst bin in Berlin geboren wurde aber in späterer Zeit elternverschuldet nach LE verfrachtet und durfte/musste dort die ganze Schulzeit erleben und überstehen. Mittlerweile lebe ich wieder in Berlin, meine Erfahrung in Leipzig/Sachsen (mit äußerlich erkennbaren Ausländern): in meinem jugendlichen linken(!) „Freundeskreis“ gab es einen Dunkelhäutigen, der scherzhaft auch „Neger“ genannt wurde. Hatte einen faden Beigeschmack. Weiterhin gab es ein dunkelhäutiges Mädchen, das als „Neger-XXX“ betitelt wurde. Und das innerhalb eines „Freundeskreises“ unter Linken/Punks/Ois, die merkwürdigerweise selbst oft Landser o.Ä. hörten! Die betroffenen Personen spielten das Ganze mit, warum weiß ich nicht… da galt wohl das Prinzip: „Kannst du den Feind nicht besiegen, mach ihn dir zum Freund.“ Aber zu welchem Preis…
Meine beste Schulfreundin war chilenischer Herkunft – gewohnt haben wir beide in Mockau, und sind später auch auf dieses Brockhaus-Gymnasium gegangen, von dem du berichtest. In all den Jahren unserer Freundschaft gab es kaum unschöne Begegnungen – nur auf ihren Namen wurde sie oft angesprochen.
Weiterhin wurde ich mit 15 Jahren von einem afrikanischen Mann in einer Telefonzelle sex. bedrängt – er wollte mich nicht gehen lassen. Und trotzdem bin ich durch diese Begebenheit kein Rassist, denn so etwas passiert auch mit deutschen Männern.
Wir hatten polnische/tschechische/russische Austauschschüler oder Neuzugänge, da gab es (unter Schülern) keine Probleme. Geschimpft wurde von den älteren Sachsen eher über „Kümmeltürken“, „Fidschis“, etc.
Das Gefühl des Eingesperrtseins, der Intoleranz, des aggressiven Argwohns ggü. Anderem/Neuem hat mich letztendlich dazu veranlasst, wieder nach Berlin zurückzukehren. Hier kann man sein, wie man ist. Auch wenn es noch Diskrepanzen zw. Ost/West-Berlinern gibt – es ist gefühlt viel offener als in dem geistig engen Leipzig.
Angepöbelt wurde ich (poln./südosteurop Wurzeln – äußerlich aber sehr „hell“) bisher nur(!) in Leipzig – von Altsachsen (z.B. als ich mit dem Kinderwagen nicht schnell genung aus der Tram kam – anstatt zu helfen, beschimpften mich die Männer!)
Man kann die Menschen dort nicht alle über einen Kamm scheren. Es gab auch freundliche, hilfsbereite Personen, die die Zeit dort erträglicher machten, leider eher in der Minderheit – die Grundtendenz ist eben eine andere…und diese Muffigkeit/Unfreundlichkeit/Pampigkeit ist nochmal ein Thema für sich (v.a. im Dienstleistungsbereich).
Leipzig: nur für Besuche – nicht mehr zum Leben. (Meine Meinung & Erfahrung)
Das war mein Senf. Danke fürs Lesen!
Alles Gute Ali!
Bzgl. der Leute, die mitmachen: Dir bleibt leider nichts anderes übrig, wenn du immer die einzige Person bist, die als „anders“ gelabelt und beschimpft wird. Das ist ein Überlebenstrieb. Oft passiert es auch, dass Betroffene rassistische Denkmuster übernehmen. Dazu wird gern der Begriff „whitewashed“ verwendet.