Gestern habe ich zum ersten Mal an einem Poetry Slam teilgenommen und direkt gewonnen! Ich bin immer noch ganz geflasht!

Hier in der Region gibt’s den Poetry Slam WORD UP!, in dessen Rahmen auch ein Newcomer Slam angeboten wird. Teilnehmen kann, wer sich noch nicht auf die großen Bühnen traut oder einfach mal neue Texte ausprobieren will.

Ich wollte schon ewig mal teilnehmen, aber bisher fehlte mir der Mumm. Vor ein paar Monaten hatte ich dann all meinen Mut zusammengenommen (bestimmt war ich betrunken) und mich bei WORD UP! angemeldet. Ich hatte natürlich gehofft, wenigstens ins Finale zu kommen. Dass es dann sogar für den Sieg reicht, hat mich überrascht und noch mehr gefreut.

Aber wie war mein erstes Mal?

Aufgeregt bin ich eigentlich immer, wenn ich auf der Bühne stehen soll. Meistens ist die Vorbereitung relativ gechillt. Da brauche ich dann eher den zeitlichen Druck, um mich gut vorzubereiten. Die Aufregung steigt für gewöhnlich ganz kurz vor meinem Gang auf die Bühne rapide an und hält sich für ein paar Minuten. Kalte Hände, bisschen verhaspeln, aber sonst aushaltbar.

Die Vorbereitung auf einen Poetry Slam war für mich dagegen eine ganz neue Erfahrung. Denn bei einer solchen Veranstaltung werden meine Texte naturgemäß andere sein, als die, die ich sonst für Blog und Medien schreibe.

Wer’s noch nicht kennt: Künstlerinnen und Künstler tragen in einem Wettstreit innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne (meist fünf bis sechs Minuten) selbstgeschriebene Texte vor, wobei Gesang nicht erlaubt ist. Normalerweise gibt es keine thematische Vorgabe. Neben Zetteln mit dem Text sind keine weiteren Hilfsmittel oder gar Kostüme erlaubt.

Schon seit 2015 habe ich immer mal wieder überlegt, ob diese Kunstform nicht auch was für mich wäre. Gute Erfahrungen hatte ich bis dato mit Lesungen von Blogbeiträgen gemacht; etwa beim ISD-Bundestreffen. Da habe ich auch mal getestet, ob mir Lyrik liegt. Tut sie nicht. Zumindest habe ich seitdem immer mal wieder Textfragmente gesammelt, die zwar gut ausdrücken, was ich denke, aber nicht so gut zu meinen Blogbeiträgen passen.

Im Vergleich zu diesem Blog erweitern Texte für die Slam-Bühne sowohl mein Themenspektrum als auch meine Möglichkeiten, mich auszudrücken. Die gesprochene Sprache erlaubt es mir, andere Betonungen zu setzen, außerdem kann ich bei Slams meine Fantasie ausleben. Auch Ironie lässt sich zuweilen mit wenigen Worten transportieren. Nach der Veranstaltung schrieb ich etwa bei Twitter/Mastodon:

Witze über Sachsen.
Wer hätte auch ahnen können,
dass so was im Westen zieht.

@eishle

Prompt gab es darauf irritierte Rückfragen, ob ich das ernst meinen würde. Als ich den Spruch gestern Abend live brachte, hat den jeder sofort verstanden.

Ich gehe davon aus, dass mir als Zyniker mit meinem Erfahrungsghintergrund eher lustige Bühnentexte Freude bereiten dürften. Jetzt musste ich nur rausfinden, ob mir ein Slam auch als Teilnehmer Spaß machen würde. Die wichtigsten Fragen, die sich mir bei der Vorbereitung stellten:

  • Kann ich, Meister im Schnellsprechen, so langsam vortragen, dass die Leute eine Chance haben mir zu folgen?
  • Kann ich mir wichtige Themen so verpacken, dass sie auch Menschen verstehen (wollen), die sich normalerweise nicht auskennen? Stichwort: Rassismus.
  • Für welche Aspekte eines Themas will ich mich entscheiden? Fünf Minuten sind nicht viel Zeit.
  • Wie fies darf bzw. will ich sein? Als Aktivist achte ich ja sehr auf meinen Sprachgebrauch und zögere öfter auch bei Witzen, die andere ohne nachzudenken reißen würden. Das hemmt natürlich.
  • Wie schlagfertig kann ich sein? Der Abend wird vermutlich nie so verlaufen, wie man ihn sich vorgestellt hat.

Fazit meines ersten Auftritts: Ich war einen Tag vor dem Auftritt so nervös, dass mir richtig schlecht war und ich vor lauter Selbstzweifel fast geheult hätte. Je näher der Abend rückte, desto nervöser wurde ich. Meine Hände waren extrem kalt und mir drehte sich der Magen um.

Als ich in der Leitstelle in Heidelberg angekommen war, habe ich mich aber schnell wieder geruhigt, nachdem ich erfuhr, dass ich auf Platz 7 starten würde (war dann wohl aber doch ein Platz früher). Außerdem war ich so rechtzeitig da, dass ich mir die Lokalität und insb. die Bühne anschauen konnte. Sah für mich machbar aus. Der Moderator des Abends hat seine Sache ebenfalls gut gemacht, sodass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleich wussten, was sie erwartet. War ja immerhin ein Slam für Newcomer.

Ich habe viele Lacher kassiert. Meistens da, wo ich sie auch erwartet hatte. Manchmal wurde ich vom Feedback überascht. Mein Interesse ist jetzt jedenfalls geweckt und ich habe richtig Lust bekommen, die zwei Texte zu überarbeiten und weitere für die Bühne zu schreiben.