… und raus bist du. Welchen Wert die Gesellschaft einem Menschen beimisst, den sie nicht als Mitglied akzeptiert, kann man sehr gut daran erkennen, ob und welche essentiellen Leistungen sie ihm verweigert. Als vorvergangenes Jahr einer meiner Studenten überfallen wurde, musste der die Erfahrung machen, dass die herbeigerufenen Polizisten erst desinteressiert mit den Schultern zuckten und — später auf der Hauptwache — ihn im höchsten Maße aggressiv behandelten. Die ebenfalls betroffene Studentin wurde dagegen freundlich behandelt und durfte sich u.a. Fotos von Verdächtigen anschauen. Aber die ist ja auch weiß.

Ich hatte damals verfolgt, inwieweit die Polizei Informationen an die Medien herausgab, um nach dem Täter zu fahnden, der ja immer noch auf freiem Fuß ist. Aufgrund der Erfahrung meines Studenten und auch meiner eigenen Erfahrungen mit der uniformierten Mischpoke hatte ich ein flaues Gefühl, dass die Freunde und Helfer den Fall versanden lassen würden. Bedauerlicherweise behielt ich recht. In den Informationen, die die Polizei auf ihrer Website veröffentlicht, fand der Fall damals keine Beachtung. Sehr wohl aber etwa der Diebstahl eines Fahrzeugs oder der Einbruch in einen Tabakladen.

Eine sehr dünne Meldung findet sich bei ein paar Radiosendern (wie Radio Leipzig), die zum selben Verbund gehören. Nirgends finden sich Informationen zum Täter, also wie er ausgesehen hat und was ihn sonst noch ausgezeichnet hat. Die Informationen lagen der Polizei vor, fanden aber keinen Eingang in die Nachrichten. Ich erkläre mir den mageren Gehalt der Nachricht so, dass die Polizei Leipzig wohl immer noch jeden Morgen ein Tonband mit Ereignissen der Nacht vollnuschelt, welches dann mittels Telefonanruf angehört werden kann. Der Platz ist natürlich beschränkt. Ich glaube, ich muss nicht verraten, dass der Täter bis heute nicht gefunden und das Verfahren eingestellt wurde.

Ich erzähle die Geschichte, weil am Montag in Dresden ein Mensch ermordet worden ist und der Fall bei der Polizei keine Rolle spielt. Das Opfer: ein Asylsuchender. Zufall? Mitnichten. Die Polizei Dresden ist von Anfang darum bemüht gewesen, den Fall herunterzuspielen (vulgo: Fremdverschulden von vornherein auszuschließen). Die Pressemeldung dazu liest sich, als sei er einfach umgekippt. Dass das Opfer erstochen worden war, darüber findet sich keinerlei Informationen. Auch nachdem die Polizei mittlerweile zugeben musste, dass ein Tötungsdelikt vorliegt, hat sie die Informationen auf ihrer Website nicht aktualisiert. Stattdessen schwafelt sie in ihrer aktuellen Pressemitteilung (heute, 14 Uhr) von einem missglückten Handtaschenraub und von zig Einbrüchen. Und der Clou: Für einen Unfall mit Sachschaden (!!!) sucht die Polizei Zeugen, für den Mord an dem Mann nicht. Ist ja nur ein Ausländer.

Die junge Welt hat zur Sache einen Kommentar veröffentlicht, der sich mit der in der sächsischen Polizei und Justiz vorherrschenden nationalistischen Grundhaltung auseinandersetzt. Ein wichtiger Auszug:

Nach fast 25 Jahren, nach denen anstelle der sächsischen Rechtsaußen-CDU auch ein Hut Landtagswahlen gewinnen könnte, wenn seine christlich-germanische Herkunft gesichert wäre, stimmen 15 Prozent der Wähler für AfD und NPD. Im Freistaat wurde mit tatkräftiger westlicher Beamten- und Politikerhilfe ein politisches Biotop geschaffen, in das sich die deutschnational gesinnte Justiz und Polizei organisch integrieren.

Man könnte auch sagen: (Nicht nur) die sächsische Polizei hat ein Nazi- und Rassismusproblem.

(via)

Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC

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