Ich bin in der ARD-Mediathek über die Kurzdokumentation Prohlis gestolpert. Der Film fängt harmlos an, hat es aber echt in sich. Sehr beiläufig, sehr sächsisch werden hier Rassismus und Fremdenhass formuliert, ohne dass sich die Interviewten dessen bewusst sind.

Der Stadtteil Prohlis ist eine Plattenbausiedlung in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden, hier wohnen 10.000 Menschen auf engstem Raum nebeneinander. Der Film Prohlis lässt Bewohner der Siedlung zu Wort kommen, zeigt, wie sie leben und denken. Er möchte nah sein, aber nicht voyeuristisch. Das gelingt ihm auf beklemmende Weise.

Frage: „Hatten Sie schon mal persönlichen Kontakt zu ‘nem Flüchtling – in Prohlis?“

Antwort [entschieden]: „Nee!“

Frage: „Und generell?“

Antwort [entschieden]: „Nee!“

Aussagen der Interviewten werden weder eingeordnet noch kommentiert. Nur ganz selten hört man die Fragen, die gestellt werden, oft kann man sie sich denken. Zum Beispiel wenn sich die Rentnerin über die „schwarzen Massen“ aufregt, „die jungen Männer, die aus Afrika kommen und die KEINEM DEUTSCHEN Rentner den Hintern abwischen“ würden. Das wüsste sie so genau, weil sie selbst mal im Krankenhaus war und dort schnell erkannt habe: „Es war ooch nirgendwo, sachn mor mal, etwas Schwarzes zu sehen in der Hierarchie der Hilfsarbeiten.“

Weiße Rentnerin sitzt auf ihrem Sofa
Weiße Rentnerin sitzt auf ihrem Sofa in Sicherheit und äußerst sich rassistisch

„Etwas Schwarzes.“ Mit nur zwei Worten gelingt es der Rentnerin, die zwar AfD gewählt habe, aber sicher nicht rechts sei, Menschen wie mich zu dehumanisieren. Etwas Schwarzes. Was sie wohl gesagt hätte, wenn die Kamera nicht dabei gewesen wäre? Als Sachse mit Rassismus-Erfahrung brauche ich nicht viel Fantasie. Natürlich: „Viehzeug“. Würde sie sich von einer Schwarzen Person behandeln lassen? Natürlich: nicht. Schwarze Ärzte kommen in ihrem Bewusstsein ohnehin nicht vor. Wenn überhaupt, dann kann sie sich Schwarze als Hilfskräfte vorstellen, als Menschen, die den Hof kehren.

Es geht ausdrücklich nicht darum, DASS sich die gezeigten Personen rassistisch äußern. Denn dann müssten wir uns nicht nur mit Dresden-Prohlis auseinandersetzen, sondern auch mit den „Goldstaubvierteln“, in denen eine jetzige Bewohnerin vor ihrem Absturz in Prohlis lebte. Keine Frage. Worum es geht, ist dieses sehr sächsische Phänomen, Rassismus so beiläufig zu leben, als wäre es das Normalste der Welt.

Die Rentnerin mag vielleicht besonders deutlich in ihrer Ablehnung von allem Fremden sein. Aber eines ist sie gewiss nicht: allein.

Prohlis ist noch bis zum 30.03.2021 in der Mediathek verfügbar.

(Kurzlink)