Seit einiger Zeit müssen sich verschiedene Leipziger Clubs wegen fragwürdiger Einlasskontrollen vor Gericht verantworten. Bisher zeigte sich nicht selten, dass auch in Gerichtssälen kaum Verständnis für die Mechanismen von Rassismus existiert.

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass das Antidiskriminierungsbüro Sachsen (ADB) nach 2006 und 2008 abermals testete, ob Menschen allein aufgrund ihrer Abstammung vor Leipziger Clubs und Diskotheken abgewiesen werden. Elf Clubs wurden aufgesucht, in sechs kamen drei Nichtweiße nicht rein, während die drei weißen Mitglieder der Kontrollgruppe den Eingang problemlos passieren konnten. Einziger Unterschied: die Abstammung der Personen. Nachdem die vom ADB und den betroffenen Studenten angestrebten Einigungsversuche scheiterten, wurden Klagen gegen die Betreiber der Clubs eingereicht.

Zwei Verhandlungen habe ich besucht, und ich habe so manches Mal gestaunt, wie voreingenommen es in Gerichten zugehen kann. Die unverschämteste Verhandlung war wohl die gegen das Night Fever. Schon zu Beginn war klar, dass auf Seiten der Beklagten keinerlei Einsicht herrscht.

Die Schwierigkeit, einen Schaden zu beziffern

Bevor es zur eigentlichen Verhandlung kommen sollte, hatten die beiden Parteien in der vorgelagerten Güteverhandlung die Möglichkeit, sich in dem Fall gütlich zu einigen. Doch daraus wurde nichts. Die Beklagtenseite unterstellte dem Kläger ausschließlich finanzielle Motive und versuchte, den Schaden wegzudiskutieren. Der Tenor: Das Testing, das das ADB zur Aufdeckung von Diskriminierung verwendet, sei darauf ausgelegt, nicht eingelassen zu werden. Das muss man sich mal vorstellen: Da wollen ein paar Studenten, die nicht dem deutschen Bild eines Deutschen entsprechen und deshalb Ablehnungserfahrungen machen, feiern gehen und nehmen sich in weiser Voraussicht ein paar Zeugen. Das wird ihnen dann vorgeworfen. Was soll man als Betroffener also machen, wenn man die subtilen Mechanismen von Ausgrenzung sichtbar machen will, aber Diskriminierung sogar dann bestritten wird, wenn es dafür Zeugen gibt? Als der Club-Anwalt den Vorwurf in den Raum stellte, dass die Studenten gar nicht feiern gehen wollten, weil ja in der LVZ gestanden habe, dass die Clubs getestet wurden, erwiderte Daniel Bartel, Leiter des ADBs, mit dem Vergleich: Das ist so, als würde ein Restaurantkritiker in ein Restaurant gehen. Der schreibt ja auch nicht, dass er essen gehen wollte, sondern bewertet das Essen.

Bezweifelt wurden die Absichten der Studenten vor allem auch deshalb, weil sie an dem Abend Eintritt hätten bezahlen müssen. Wenige Tage später, so die Argumentation des Clubs, fand eine kostenfreie Tour für Erstsemester statt. Warum bist du denn auf eigene Faust losgezogen?, fragte also ein Betreiber den Kläger. Wollte man dem Besitzer des Night Fevers kein Kalkül unterstellen, muss man sich schon fragen, warum der Besuch ihres Clubs Nichtweißen nur bei kostenlosen Erstsemesterpartys vorbehalten sein sollte. Haben Ausländer per se kein Geld für Vergnügungen? Dürfen sie nicht feiern, wann sie wollen?

Die beiden Seiten verhandelten mehrfach über ein mögliches Vergleichsangebot, kamen jedoch auf keinen gemeinsamen Nenner. Der Kläger hielt an seinen Forderungen von 1250 Euro Schadenersatz sowie an der Abgabe einer Unterlassungserklärung, ihn aufgrund seiner Abstammung abzuweisen, fest. Das Night Fever sah es dagegen als angemessen an, 300 Euro an irgendeine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen. Nach zähen Verhandlungen passte der Club zweimal sein Angebot an: Zuerst sollten die 300 Euro direkt an den Kläger gehen, später erhöhte er auf 300 Euro und ein Freigetränk. Eine Farce.

Der Anwalt brüllt: Hier wird das AGG vergewaltigt.

Im Gerichtssaal konnte die Atmosphäre nicht feindseliger sein. Während die Chefs des Night Fevers daran festhielten, dass sie vom ADB erpresst werden sollten, war es vor allem deren Anwalt, der viel keifte und brüllte. Beweise, die für Darstellung des Clubs sprachen, blieben die Beklagten jedoch schuldig. Ursprünglich behaupteten sie, dass sie zweifelsfrei beweisen könnten, die Ablehnung an dem Abend habe keinesfalls etwas mit der Abstammung zu tun gehabt. Denn der Kläger hatte nach Darstellung der Chefs der La Belle Gastro GmbH, zu der der Club gehört, schon öfter Zutritt zum Night Fever. Bezeugt wurde das von DJ Alex.

DJ Alex, mit bürgerlichem Namen Alexander Wenke, könne sich total gut an den Kläger erinnern, weil der sich besser anziehe als die Stammklientel des Night Fevers. Dass er den Kläger, wie vom Anwalt vermutet, vielleicht in einem der anderen Clubs gesehen haben könnte, in denen DJ Alex auch auflegt (u.a. Moritzbastei und Dark Flower), bestritt er vehement. Denn: Im Night Fever bin ich mit dem Publikum immer auf Augenhöhe, sodass ich die Gesichter immer sehen kann. In der Moritzbastei schaue ich von oben auf die Köpfe der Gäste. Das nenne ich eine einwandfreie Beweisführung. Dumm nur, dass DJ Alex nicht mal ansatzweise eingrenzen konnte, wann der Kläger, der dies zu jederzeit verneinte, im Night Fever gewesen sein soll.

Besonders fragwürdig ist auch das Verhalten der Richterin. Die Eisprinzessin, so charmant wie Frau von der Leyen, wenn sie bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung vor der unerträglichen Freiheit des Internets warnt, war nicht weniger aggressiv eingestellt als die Beklagtenseite. Gleich zu Beginn stellte sie klar, dass sie keinesfalls irgend etwas anderes urteilen werde als ihr Kollege im ähnlichen Fall zuvor: Mehr als 500 Euro wären definitiv nicht drin. Die Parteien mögen sich doch bitte im Rahmen der Güteverhandlung einigen, konnte man zwischen den Zeilen lesen. Richterliche Unabhängigkeit? Die sieht anders aus.

Deutliche Unterschiede zeigten sich auch bei der Befragung der einzelnen Zeugen. Während die weißen Zeugen durchgehend höflich und respektvoll behandelt wurden, keifte die Richterin den einzigen ausländischen Zeugen ständig an. Schon zur Einführung der Befragung bemerkte sie flappsig: Na ja, Sie wissen ja, worum’s hier geht. Im weiteren Verlauf blaffte sie ihn mehrfach an, etwa dass er sich nicht alles aus der Nase ziehen lassen sollte. Die Deutschkenntnisse des ausländischen (!) Studenten fanden bei der Richterin keinerlei Würdigung. Kaum saß ein Weißer im Zeugenstand, war Frau Richterin wieder ganz zahm. So ging denn auch mehrmals ungläubiges Raunen durch die Zuschauerreihen.

Auch die Befragungsstrategie des Club-Anwalts ließ Zweifel offen, dass der Club je irgendwas Sachliches vorbringen könnte. Ständig brüllte er rum, sprach gar von Vergewaltigung (!) des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und argumentierte, dass es nicht dazu gemacht sei, Einkommensquellen zu generieren. Allein: Vom Testing bis zur Verhandlung dauerte es gerade auch wegen der außergerichtlichen Einigungsversuche des ADBs und der späteren Kläger ein Jahr. Es dürfte schwer werden, derlei Verfahren als sichere Einkommensquelle zu etablieren.

Unterschiedliche Wahrnehmungen von Diskriminierung

Die Schlussbemerkungen der Richterin unterdessen ließen tief blicken. Das Night Fever versuchte sich damit herauszureden, dass allen unter 21-Jährigen der Zutritt zum Club verwehrt würde, weshalb der Kläger, der zu dem Zeitpunkt übrigens deutlich älter war, nicht reingekommen sei. Nachdem die Richterin zwischendurch zu verstehen gab, dass sie den Fall eventuell nicht so schlimm fände wie einen zuvor verhandelten, antwortete sie auf Nachfrage des Klägeranwalts, Jakob Simon: Ich finde es schlimmer, wenn man ins Gesicht gesagt bekommt, dass man als Ausländer nicht reinkommt, als wenn man dies umgeht und es zum Beispiel über das Alter begründet. Dass die Ablehnung in beiden Fällen zur selben Ausgrenzungserfahrung führt, besonders dann, wenn alle anderen Umstehenden rein dürfen, ist der Richterin offenbar nicht klar; oder ihr ist es egal.

In der Klage gegen das Night Fever ist der Termin zur Verkündung für den 22.11. anberaumt. Sollte keine der beiden Parteien bis dahin weitere Beweisanträge stellen, will das Gericht ein Urteil fällen. Unterdessen ist das Velvet, dessen Verhandlung ich ebenfalls besucht hatte, zum zweiten Mal zu Schadenersatz i.H.v. 500 Euro verurteilt worden. Der Club muss nicht nur 75 Prozent der Kosten tragen, sondern bei einem abermaligen Verstoß mit der Verhängung eines Ordnungsgeldes rechnen. Ironischerweise hat das Landgericht Leipzig ziemlich zeitgleich das erste Urteil kassiert und den Fall an das Amtsgericht zurückverwiesen.

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Bild: Emmanuel Huybrechts, CC-BY

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