Das OVG Rheinland-Pfalz hebt eine Entscheidung der Vorinstanz auf, laut der die Kontrolle eines schwarzen Deutschen aufgrund der Hautfarbe noch als legitim angesehen wurde. Ändern dürfte sich für die Betroffenen dadurch allerdings nichts.

Die Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz liest sich erst mal toll: Da stellt das Gericht also fest, dass die Kontrolle eines Schwarzen nur aufgrund seiner Hautfarbe nicht rechtens, weil nicht vereinbar mit dem Grundgesetz war. Vertreter der Bundespolizei entschuldigen sich bei dem Studenten, das Urteil des VG Koblenz wird aufgehoben und das Verfahren in beiderseitigem Einvernehmen eingestellt. So weit, so gut.

Für mich als Betroffener dieses Racist (!) Profiling klingt dieselbe Pressemitteilung allerdings so, als könnte ich mir mit der OVG-Entscheidung den Hintern abwischen. Das Verfahren wurde ja lediglich als beendet erklärt. Ich vermag, vielleicht auch nur, weil ich juristischer Laie bin, nicht zu erkennen, dass die Entscheidung irgendeine Bindungskraft für die Polizei hätte. Entsprechend teile ich nicht die Euphorie der ISD, die als eine Interessenvertretung schwarzer Menschen in Deutschland dem Fall natürlich besondere Beachtung schenkte.

Ein richtiges Urteil hätte sicher eher Ohrfeigencharakter für die Polizei und den institutionalisierten Rassismus gehabt. Ich glaube, dass Polizisten mit ihrer rassistischen Praxis einfach weiter machen werden wie bisher. Wenn sie sich doch der Entscheidung entsinnen werden, gibt es vielleicht ein paar halbherzige Begründungen, warum dieses Mal wieder ausschließlich Personen kontrolliert werden, die nicht weiß und damit unisono verdächtig sind.

Es spielt ja im Grunde auch keine Rolle, wo ich als Schwarzer angehalten werde. Die Bahnstrecke, die angeblich besonders gern von Illegalen genutzt wird, ist nur eine Ort, Menschen mit dunklerer Hautfarbe zu signalisieren, dass sie als Kriminelle angesehen werden. Ein Bahnhof fernab jeder Landesgrenze oder ein anderer neuralgischer Punkt, wie so was gern genannt wird, mitten in Deutschland reicht vollkommen aus, um in das Raster zu geraten. Eine Handhabe, mich an Ort und Stelle gegen die Eingriffe zu wehren, habe ich schlicht nicht. Eher müsste ich mit weiteren Konsequenzen wie etwa einer Anklage wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte rechnen, wenn ich dagegen aufbegehrte; der Fall des schwarzen Studenten zeigt das ja vortrefflich.

Die Sonderbehandlung, die mir lediglich aufgrund meiner falschen Hautfarbe zuteil wird, findet in wirklich allen Lebensbereichen ihren Niederschlag und bedeutet für mich einen hohen psychischen Druck. Ich muss immer aufpassen, nicht negativ aufzufallen1, denn eines ist klar: Ich darf mich niemals so daneben benehmen wie ein weißer Deutscher, weil bei mir so was deutlich schneller und härter sanktioniert wird. Das trifft ganz besonders im Umgang mit der Polizei zu (und beschränkt sich nicht nur auf die Beamten von der Bundespolizei), die sich nicht entblödet, mir zu zeigen, dass ich als nicht zugehörig angesehen werde; z.B. wenn ich mich abends entscheide, ein oder zwei Haltestellen nach Hause zu laufen, und mich die ganze Zeit ein Sixpack der Polizei in Schrittgeschwindigkeit verfolgt. Normalerweise müsste ich hingehen, an die Scheibe klopfen und fragen, ob die Herrschaften mich nicht gleich nach Hause fahren wollen. Aber da hätten wir wieder das Problem, nicht negativ auffallen zu dürfen. Ich habe mich aufgrund meiner jahrzehntelangen Erfahrungen lieber für die Ausweichstrategie entschieden, besonders unauffällig nach Hause zu laufen.2

In Deutschland gibt es keine Pflicht zur Mitführung eines Ausweises. Als Schwarzer käme ich aber nie auf die Idee, meinen zu Hause zu lassen. Zu groß ist die Gefahr, zum Beispiel am Leipziger Hauptbahnhof beim Geldholen oder in der Innenstadt beim Einkaufen aufgriffen und abgeführt zu werden. Es wäre ja viel zu einfach, die gemachten Angaben gleich an Ort und Stelle per Funk zu überprüfen. Und ich hör‘ sie schon wieder unken, jene Leute (ausnahmslos weiß und damit privilegiert), die glauben, dass so was gar nicht sein könne, und wenn doch, dann sicher weil irgendwas vorgelegen habe. Aber meinem Bruder ist das passiert. Zweimal. Es half nichts, mit muttersprachlichen Deutschkenntnissen zu brillieren. Für die Polizisten stand fest. Der ist schwarz, der gehört nicht hierher. Und dann der Satz des feixenden Polizisten: Das ist nicht wegen deiner Hautfarbe.

Racial Profiling, wie es von der Polizei ständig verwendet wird, funktioniert nur aufgrund der irrigen Vorstellung, dass man als Nichtweißer nicht nur nicht deutsch, sondern auch nicht redlich sein könne. Zu oft werden solche Kontrollen begleitet von demütigenden Fragen wie Du hast wohl eine Deutsche geheiratet, dass du einen deutschen Pass hast?, oder von Taschenkontrollen, die mit der eigentlichen Feststellung der Identität gar nichts zu tun haben.3

Besonders deutlich wird das Denkschema, wenn man die Debatte in den Kommentarspalten dieser Republik verfolgt. Ständig bemühen sich die Kommentatoren zu betonen, dass alles rechtens gewesen sein muss, weil der schwarze deutsche Student gar nicht wie ein Deutscher ausgesehen habe und die Beamten nur auf ihren Erfahrungsschatz zurückgreifen würden. Und überhaupt wäre es total ineffizient, jetzt für jeden verdächtigen Ausländer drei unschuldige Omis und ihre schweren Einkaufstüten zu filzen. Gerade an solchen Argumentationen zeigt sich vortrefflich, wie eine Wir gegen die-Dichotomie aufgebaut wird: Wir, die die unschuldigen Deutschen (in Form einer total ungefährlichen Oma, die doch nur einkaufen war), müssen uns gegen die gefährlichen Ausländer schützen. Dabei wird grundsätzlich auch am Kern der Sache vorbeidiskutiert: dass die falsche Hautfarbe als alleiniges Merkmal ausreicht, um als verdächtig gekennzeichnet und kriminalisiert zu werden.

Eine schallende Ohrfeige wäre in der Tat besser gewesen.

Rassistischer Bonuscontent: Hier habe ich noch ein paar denkwürdige Kommentare, die unter Artikeln in der Zeit und Welt stehen und zeigen, wie tief rassistische Ressentiments in der deutschen Gesellschaft stecken. Anders wäre Racist Profiling auch gar nicht möglich.

Bastie: Die Aufregung findet statt, weil ein legal hier Lebender, der nun einmal viele Merkmale Illegaler aufgewiesen hat (zum einen durch ausländisches Aussehen, zum anderen (und das wird hier immer gerne unterschlagen) weil er in einem Zug unterwegs war, der häufig von Illegalen benutzt wird), kontrolliert wurde.

johnny2458: Ein Bekannter von mir ist Portugiese. Er wurde vor ein paar Jahren von einem Streifenwagen angehalten. Er trug eine HipHop-Jacke und kurzes Haar. Die Polizisten waren gerade auf der Suche nach einem Kerl, dessen Beschreibung auch auf meinen Bekannten zutraf.

Die Mitte: Allein wegen der Haut-, Haar- oder sonstigen Farbe wird sicher niemand kontrolliert, sondern weil jemand aufgrund seines Äußeren mit einem Verdacht in Verbindung gebracht wird.

tsitsinotis08: Stellen wir uns die einfache Situation vor: Ein Schwarzer/südländisch Aussehender/Ungepflegter sitzt in der Bahn neben einem gepflegten Weißen, und der Polizist kontrolliert nur den Weißen. Ich bin sicher, er, der Polizist, käme in einen schweren Konflikt, weil er sich von vielen Nachbarn beobachtet fühlt, die sich seiner Meinung nach fragen, wieso er den Falschen kontrolliert. Und so weiter wie unheiter…

kai1: Woran macht eigentlich jemand fest, dass seine Überprüfung ausschließlich aufgrund seiner Hautfarbe erfolgt(e), wenn der entsprechende Polizist nicht dümmer ist, als die Polizei erlaubt, und ihn unter 200 Weißen als einzigen Nicht-Weißen kontrolliert und dann auch noch zu blöd ist, eine schlüssige Begründung vorzubringen?

FlintQDA: Ich weiß zwar nicht, wie die Polizisten bei der Kontrolle vorgegangen sind, jedoch ist es doch kein Problem, eine Routinekontrolle über sich ergehen zu lassen.

Ich bin bestimmt kein Freund von Polizisten, aber Kontrollen müssen nunmal sein, dabei ist egal, welche Hautfarbe man hat, die müssen wir alle durchmachen.

Mich wundert es nur, dass der Student soviel zeit übrig hat, um sich damit auch noch gerichtlich zubeschäftigen. Wenn er nicht verletzt wurde, sollte er es einfach dabei belassen. Ich denke, das ist eher ein Fall von gekränktem Ego.

tom1972: Kein Polizist ist so blöd und sagt Ich spreche Sie an, weil Sie schwarz sind. Wenn der Schwarze einen Anzug trägt, den sich der Polizist selbst nicht leisten kann, wird er ihn nicht ansprechen und kontrollieren wollen. Die Polizei wird auch weiterhin ihre Arbeit machen und selbst wissen, wen sie wann kontrollieren.

adept: In der Medizin werden regelmäßig Labortests gemacht, wo ein Blutwert als Indikator für einen bestimmten Zustand hergenommen wird. Die statistische Theorie dahinter nennt sich Bayes-Theorem. Aus einer A-priori-Warscheinlichkeit wird nach Kenntnis des Testergebnisses eine A-posteriori-Wahrscheinlichkeit. Beispielsweise ist ein positiver Aids-Test bei einer zufällig aus der Bevölkerung gegriffenen Person ohne bekannte Risikofaktoren (Milieuzugehörigkeit etc.) eher wahrscheinlich ein Testfehler als eine tatsächliche Diagnose, weil die A-priori-Wahrscheinlichkeit so verdammt klein ist.

In diesem Fall wäre der gesuchte Diagnose Illegaler Einwanderer, und einer der möglichen Tests ist Hautfarbe. Die A-priori-Wahrscheinlichkeit bei einer durch puren Zufall ausgewählten Person ist hier ebenfalls sehr gering, sodass den Ermittlern zugestanden werden sollte, jedes bisschen an Information nutzen zu können.

StephenGodson: Opfer von Racial Profiling?, sagen Sie mal, ist das Ihr Ernst? Wo ist denn das Problem? Ausweis zeigen, zwei Minuten warten, weiterfahren. Ich wurde in meinem Leben schon so oft kontrolliert, leider kann ich mich nicht auf solche Oberflächlickeiten berufen. Wer macht denn hier Unterschiede?

Arno: Wir sollten uns in unserem eigenen Land nicht auf dem Kopf rumtanzen lassen. Wir bestimmen die Regeln und wem das nicht passt, der kann gerne gehen. Das ist kein Aufruf zur Unverhältnismäßigkeit und auch nicht zur Diskriminierung, aber klagen vor Gericht wegen so einer Lapalie ist dreist und unverschämt. Gäste sollen sich wie Gäste benehmen, dann haben sie unsere Gastfreundschaft verdient. Tun sie da nicht, muss man ihnen ihre Grenzen aufzeigen.

NordicWarKing: Wenn ich mich als dunkelhäutiger Mensch dazu entscheide, in Deutschland zu leben, muss ich mir über die Konsequenzen bewusst sein. Vorurteile sind allgegenwärtig.

Edna: Man möge sich fragen, warum die El Al die sicherste Fluggesellschaft ist, trotz des höchsten Gefährdungspotentials. Sicher nicht, weil 90-Jährige Omas einer genauen Kontrolle unterzogen werden, sondern exakt wegen der hier nun nicht mehr möglichen, gezielten Kontrolle von Personen – vor allem nach Ihrer Herkunft.

Unglaublich: Genau das Gegenteil ist der Fall. Südländisch aussehende Personen werden generell nicht kontrolliert, da das Gefahrenpotential zu groß ist.

Show 3 footnotes

  1. Nicht negativ auffallen heißt in Leipzig übrigens schon, mich in der Bahn nicht nach vorn zu beugen, um etwas aufzuheben, weil die Trulla vor mir sonst wieder am Spieß schreien könnte: Da ist was Schwarzes!!! Aber dazu schreibe ich später mal was.
  2. Ja, so was geht wirklich. Das bedeutet z.B. auch, nicht zu rennen.
  3. Alternativ: mit gezogener Waffe zum Anhalten gezwungen werden.

Bild: Alex Proimos, CC-BY-NC

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